Kritik an Ministerin Reiche:Energiewende: Kurskorrektur oder Vollbremsung?
Der Monitoringbericht zur Energiewende soll einen Wendepunkt in der Energiepolitik markieren. Kritiker allerdings warnen vor einem "Zick-Zack-Kurs".
Wie können wir die Energiewende effektiver und bezahlbarer machen?
15.09.2025 | 3:44 minDer neue Bericht zur Energiewende sorgt für Diskussionen. Er stammt von der privaten BET Consulting GmbH und dem Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln (EWI) und analysiert, wo Deutschland aktuell steht - und wie es wirtschaftlich sinnvoll weitergehen könnte.
Begleitet wurde die Veröffentlichung am Montag von einem Zehn-Punkte-Plan von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Ihr Ziel: mehr Pragmatismus, höhere Effizienz und sichere Versorgung. Doch nicht alle sind begeistert.
Energieministerin Reiche will den Ausbau der Erneuerbaren stärker regulieren. Förderungen, wie die für neue Solaranlagen auf Hausdächern, stehen auf dem Prüfstand.
16.09.2025 | 28:42 minWirtschaft vs. Umwelt - ein alter Konflikt
Reiche will energiepolitische Entscheidungen künftig stärker an Marktmechanismen, Technologievielfalt und Innovation ausrichten. Kritiker sehen darin vor allem eines: eine wirtschaftsfreundliche Ausrichtung, die ökologische Ziele ausbremst.
So warnt zum Beispiel das Bündnis Bürgerenergie vor einer möglichen "Förderkappung" und sieht die Energiewende in Bürgerhand gefährdet. Auch der Bundesverband Solarwirtschaft kritisiert geplante Kürzungen bei der Förderung von Solardachanlagen - sie könnten den Ausbau deutlich verlangsamen.
Die Energiekosten in Deutschland seien zu hoch, sagt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Deshalb seien Korrekturen bei der Energiewende vonnöten.
15.09.2025 | 8:54 minChristoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch spricht sogar von einem "Zick-Zack-Kurs" und warnt:
Wir brauchen ein entschlossenes Management der echten Herausforderungen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist zentral für Klimaschutz und eine zukunftsfähige Industrie.
Christoph Bals, Germanwatch
Energiexperte: Bevölkerung mitnehmen
Christoph Kost ist Energieexperte am Fraunhofer-Institut in Freiburg. Dort leitet er die Gruppe "Energiesysteme und Energiewirtschaft". Aus seiner Sicht ist der Bericht "richtig und wichtig", denn:
Ohne diesen Umbau - oder mit angezogener Handbremse - steuern wir auf ein teureres Energiesystem zu. Wir werden für Klimaschäden oder CO₂-Abgaben zahlen müssen.
Christoph Kost, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme
Allerdings betrachtet Kost den Zehn-Punkte-Plan mit einer gewissen Skepsis: "Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich der Plan nicht direkt aus dem Bericht der Gutachter ableiten lässt", sagt er. Es bleibe daher offen, ob die von Wirtschaftsministerin Reiche vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich zur Problemdefinition passen.
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Doch Experten zeigen sich skeptisch: fehlende Speicher, hohe Emissionen und unausreichende Stromnetze bremsen die Energiewende.
15.09.2025 | 1:13 minKost warnt vor einer möglichen Abschaffung der Einspeisevergütung für PV-Dachanlagen: "Das würde die gesamte Elektrifizierungsstrategie beim Endkunden infrage stellen. Frau Reiche schafft hier unnötige Unsicherheit." Der Einspeisetarif sei ein geregelter Abnahmevertrag für erneuerbaren Strom, so Kost. "Ohne diese Regelung müssten teurere und ineffiziente Einzelverträge zwischen Endkunden und Energieunternehmen entwickelt werden - mit der Folge, dass viele Endkunden ihre Projekte aufgeben würden."
Ein Ansatz, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium auf den Monitoringbericht reagiert, sind neue Finanzierungsmodelle. Die sollen künftig "marktorientiert und systemdienlich" sein. Die Rede ist dabei etwa von Contracts for Difference (CfDs) oder Differenzverträgen. Das könnte vor allem Offshore-Windparks betreffen.
Die Idee: Bieter für den Bau solcher Anlagen gehen mit einem Festpreis für die Abnahme von Strom ins Rennen. Bekommen sie den Zuschlag, wird die Differenz zum Marktpreis jeweils ausgeglichen. Liegt der Marktpreis niedriger, bekommt der Anbieter die fehlende Summe, liegt er über dem Festpreis, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben. Die Windenergie-Branche begrüßt das Modell, weil es mehr Sicherheit bei der Refinanzierung biete.
(Quelle: Mark Hugo)
Strom clever nutzen statt ausbremsen
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie lehnt eine Verlangsamung der Energiewende ab. Das sei weder gut für den Klimaschutz noch für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, heißt es dort.
Stattdessen müsse die Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen schaffen - etwa für die Elektrifizierung von Gebäuden, Verkehr und Industrie. Und: Strom müsse insgesamt effizienter genutzt werden.
Wirtschafts- und Energieministerin Reiche will einen neuen Kurs bei der Energiewende einschlagen. ZDF-Korrespondent Florian Neuhann ordnet ihre Pläne ein.
15.09.2025 | 1:05 minKritik an Reiche: Ignoriert sie die Wissenschaft?
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht noch weiter. Sie wirft Wirtschaftsministerin Reiche vor, zentrale wissenschaftliche Empfehlungen zu ignorieren und sich zu sehr auf die Interessen der Gaslobby zu stützen. DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner warnt:
Was Frau Reiche mit 'Planungsrealismus' meint, ist faktisch eine Ausbau-Bremse für die Erneuerbaren.
Sascha Müller-Kraenner, Deutsche Umwelthilfe
Der von Reiche vorgeschlagene "technologieoffene Kapazitätsmarkt" sei ein Einfallstor für neue fossile Abhängigkeiten, kritisiert Müller-Kraenner.
Auch positive Stimmen
Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum sieht den Zehn-Punkte-Plan dagegen positiv. Im ZDF-Wirtschaftsmagazin WISO sagte er: "Die Energiewende wird nicht ausgebremst. Man steht weiterhin zu den zentralen Themen." Besonders wichtig sei die Digitalisierung des Stromsystems.
Wir brauchen einen schnelleren Ausbau intelligenter Messsysteme. Das System muss einfacher werden - dann sparen wir auch Kosten.
Andreas Löschel, Lehrstuhl Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit in Bochum
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht den Zehn-Punkte-Plan als Chance. Die kommunalen Unternehmen, so werde es signalisiert, seien bereit, aktiv zur Umsetzung beizutragen. Wichtigste Voraussetzung: Die Politik muss die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.
Bei der Solarenergie sind in Deutschland die bis 2030 gesteckten Ausbauziele zur Hälfte erreicht. Jedoch lässt die Nachfrage nach Photovoltaik bei Eigenheimbesitzern stark nach.
04.07.2025 | 1:31 minZiel bleibt - Weg umstritten
Für manche ist der Bericht das Ende der Energiewende, für andere eine notwendige Kurskorrektur. Klar ist: Reiche hält am Ziel fest, dass bis 2030 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen sollen.
Doch wie dieses Ziel erreicht werden soll - darüber wird nun heftig gestritten. Zumindest bildet der Zehn-Punkte-Plan dafür eine Basis.
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