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Flüchtlinge im Mittelmeer:Bund streicht Gelder für zivile Seenotrettung
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Das Auswärtige Amt fördert keine zivilen Seenotrettungsorganisationen mehr. Während CDU-Politiker das begrüßen, warnen NGOs und Grünen-Abgeordnete vor einem gefährlichen Signal.
Flüchtlinge sitzen auf einem Boot der Hilfsorganisation "Mediterranea Saving Humans" (Archivbild).
Quelle: dpa
Die Bundesregierung wird die finanzielle Förderung ziviler Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer und anderen Regionen einstellen. Wie das Auswärtige Amt gegenüber mehreren Nachrichtenagenturen bestätigte, sind in den Haushaltsplanungen für 2025 keine weiteren Mittel für diese Zwecke vorgesehen.
Die Bundesregierung plant keine weitere finanzielle Förderung von Nichtregierungsorganisationen der zivilen Seenotrettung.
Mitteilung aus dem Auswärtigen Amt
Im ersten Quartal 2024 waren noch rund 900.000 Euro an Organisationen wie Sea-Eye, SOS Humanity, Sant’Egidio, RESQSHIP und SOS Méditerranée geflossen - insgesamt zwei Millionen Euro im laufenden Jahr. Diese Unterstützung wird nun nicht fortgesetzt.
Neuer Außenminister dreht Baerbocks Politik zurück
Die Förderung war unter Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) eingeführt worden. Die Union hatte dies stets kritisiert - unter anderem mit dem Argument, dass die Seenotretter de facto mit Schleppergruppen zusammenwirkten und die irreguläre Migration nach Europa förderten.
So hatte bereits vor zwei Jahren der damalige Unions-Außenexperte und heutige Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) ein Ende der Unterstützung gefordert. "Faktisch, wenn natürlich auch ungewollt, ermöglichen die Rettungsorganisationen den menschenverachtenden Schleuserbanden deren Geschäft", sagte Wadephul im Jahr 2023:
Dafür sollte kein deutsches Steuergeld verwendet werden.
Johann Wadephul, Bundesaußenminister
Seenotretter sehen Entscheidung als "fatales Signal"
Sea-Eye-Vorsitzender Gorden Isler bezeichnete die Entscheidung als "fatales Signal". Die bisherigen Mittel hätten konkrete Einsätze ermöglicht und Leben gerettet. Nun müsse das Rettungsschiff möglicherweise trotz Notfällen im Hafen bleiben, warnte Isler.
Kritik kam auch aus der Politik: Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer betonte, dass Seenotrettung keine freiwillige Zusatzleistung, sondern eine humanitäre Pflicht sei. Die Streichung der Gelder werde nicht zu weniger Migration führen, sondern Fluchtrouten tödlicher machen.
Zehntausende Menschen im Mittelmeer gerettet
Die Schiffe ziviler Seenotretter waren nach eigenen Angaben seit 2015 an der Rettung von 175.595 Menschen im zentralen Mittelmeer beteiligt. Im selben Zeitraum hätten eine knappe Million Flüchtlinge (929.686) über das Mittelmeer Italien erreicht, teilten die Organisationen United4Rescue, Sea-Watch, Sea-Eye und SOS Humanity zum zehnjährigen Bestehen ihrer Rettungseinsätze mit.
Mindestens 28.932 Menschen seien seit 2015 auf dem Meer gestorben oder verschwunden. "Die Dunkelziffer ist aber hoch", sagte die Sprecherin von SOS Humanity, Mirka Schäfer. Im Durchschnitt seien seit 2015 täglich sechs Menschen auf dem Weg über das Meer gestorben oder gelten als vermisst.
Quelle: dpa, AFP, epd
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