Debatte über Meinungsfreiheit bei "Lanz": Darf man noch sagen, was man denkt?

Debatte über Meinungsfreiheit bei "Lanz":Darf man noch sagen, was man denkt?

von Bernd Bachran
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Renate Künast warnt bei "Lanz": "Rechtsextreme profitieren, wenn die Mitte der Gesellschaft nicht mehr miteinander spricht." Boris Palmer klagte über "zu wenig Schutz des Staates."

Markus Lanz vom 28. Mai 2025: Renate Künast, Markus Lanz, Boris Palmer, Maren Urner, Ulf Poschardt
Sehen Sie hier die Sendung Markus Lanz vom 28. Mai 2025.28.05.2025 | 74:33 min
Weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung glaubt, ihre Meinung noch frei äußern zu können. Laut einer Allensbach-Studie aus dem Jahr 2023 gaben nur 40 Prozent der Befragten an, ihre politische Meinung frei äußern zu können - der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen in den 1950er Jahren. Grünen-Politikerin Renate Künast warnte bei "Markus Lanz":

Rechtsextreme profitieren, wenn die Mitte der Gesellschaft nicht mehr miteinander spricht.

Renate Künast, Grünen-Politikerin

Die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin und bis 2025 MdB für die Grünen, sprach davon, dass das Argument von angeblich eingeschränkter Meinungsfreiheit seit Jahren von manchen gezielt missbraucht werde. "Man hat ab 2015, 2016 angefangen zu sagen, die Presse würde immer lügen. Da war Lügenpresse der erste Punkt, um später zu alternativen Fakten zu kommen, die man selber erfindet."
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Künast: Digitalisierung verstärkt die Verbreitung von Beleidigungen

Künast zeigte sich überzeugt, dass Digitalisierung die Verbreitung von Beleidigungen und Verleumdungen verstärke. Im Netz seien bestimmte Gruppen besonders gut organisiert. "Ich glaube ja, dass das größte Problem AfD und Umgebung ist, die viel früher als alle anderen Parteien und viele in der Gesellschaft verstanden haben, wie der digitale Mechanismus geht."
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Wie neutral sind die Social-Media-Plattformen? 18.02.2025 | 8:41 min
Der ehemalige Grünen-Politiker und mittlerweile parteilose Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, Boris Palmer kritisierte, dass aus seiner Sicht mitunter zu schnell verurteilt werde, "dass die simple Benutzung eines Wortes bereits ausreichen kann, um politisch komplett ins Abseits gestellt zu werden."
Palmer selbst sorgte im Mai 2023 für Empörung, als er bei einer öffentlichen Veranstaltung mehrfach das N-Wort sagte. Obwohl er sich, seiner Auffassung nach, gegen Rassismusvorwürfe verteidigen wollte, stieß seine Wortwahl auf breite Kritik. Kurz darauf nahm er eine Auszeit und trat aus den Grünen aus.
Gert Scobel
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Palmer: Zu wenig Schutz des Staates

Der Tübinger Oberbürgermeister klagte über, gerade was Bedrohungen und Beleidigungen im Internet betrifft, "zu wenig Schutz des Staates." "Ich habe vor ein paar Tagen eine Mail bekommen, da steht drin, es wäre besser, man würde mich aufhängen. Die Staatsanwaltschaft hat gesagt: Das ist eine Verwünschung, das ist juristisch zulässig."

Es gibt eine Aggressivität gegenüber ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, die unerträglich ist. Da geht Meinungsfreiheit entschieden zu weit.

Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen

Boris Palmer sagte, es sei einfacher, jemanden moralisch zu zerstören und so zum Schweigen zu bringen, als ihn mühsam mit Argumenten zu überzeugen.
Archiv:  Ein Teenager tippt auf das TikTok-Logo auf einem Smartphone.
Auf TikTok tummeln sich Influencer und AfD-Anhänger, die extrem rechte Inhalte als "cool" verbreiten. Damit müsse Schluss sein, fordert die Bildungsstätte Anne Frank.04.06.2024

Bundesverfassungsgericht weltweit Vorbild

Von den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern ging es dann zur transatlantischen Freundschaft und dem Auftritt des amerikanischen Vize-Präsidenten J.D. Vance auf der letzten Münchener Sicherheitskonferenz. Dort sorgte Vance für Ärger, als er die Meinungsfreiheit in Deutschland infrage stellte.
J.D. Vance vor einer Europa-Karte
US-Vizepräsident J.D. Vance kritisiert auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass andere Meinungen in Europa zu oft zensiert werden. Die Rede und Analyse bei ZDFheute live.14.02.2025 | 43:13 min
Dieser Auftritt missfiel Renate Künast deutlich. "Bei aller transatlantischen Freundschaft", so betonte sie, müsse man auch klar sagen: "Das ist keine."

Was Demokratie betrifft: Wenn Sie (weltweit) unter Juristen fragen, ist das deutsche Bundesverfassungsgericht das Vorbild für ein unabhängiges Gericht.

Renate Künast, Grünen-Politikerin

Auch für Boris Palmer stand fest: "Wir haben einen großen Unterschied zu den USA, wo die Meinungsfreiheit jetzt von der Exekutive unter Druck gesetzt wird. Das haben wir in Deutschland definitiv nicht so."

Es gibt keinen Staat, der hier die Meinungsfreiheit einschränkt. Zum Glück.

Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen

Trump verlässt das Weiße Haus
Trump hat die Nachrichtenagentur AP nach einem Streit um die Bezeichnung des Golfs von Mexiko vom Weißen Haus ausgeschlossen. Europa wirft er derweil fehlende Meinungsfreiheit vor.15.02.2025 | 1:30 min
Palmer warnte davor, dass der Versuch, die AfD weiterhin auszugrenzen, langfristig gefährlich sei. Aus seiner Sicht habe das linksliberale Lager im Namen der Toleranz eine Form von Intoleranz entwickelt, die die Demokratie nach rechts verschiebe. "Irgendwann (werden wir uns) noch wundern, wenn der erste AfD Ministerpräsident, dann als staatliche Institution, gegen die Meinungsfreiheit vorgeht."

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