Nachrichtendienste-Kontrolleur: "Robuster" gegen Russlands Tanker

Interview

Nachrichtendienste-Kontrolleur:Henrichmann: "Robuster" gegen Russlands Tanker

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Marc Henrichmann, neuer Kontrolleur der Nachrichtendienste, will Russlands Schattenflotte in der Ostsee künftig festsetzen lassen. Dass die AfD nicht im Gremium sitzt, begrüßt er.

Der Tanker wird verdächtigt, die Stromverbindung zwischen Finnland und Estland, Estlink 2, gestört zu haben, und er wird auch verdächtigt, zur so genannten russischen Schattenflotte zu gehören
Der Tanker "Eagle S" soll zur russischen Schattenflotte gehören und ein Kabel zwischen Finnland und Estland beschädigt haben. (Archivbild)
Quelle: picture alliance/dpa/Lehtikuva

Der CDU-Politiker Marc Henrichmann ist der neue oberste Kontrolleur der Nachrichtendienste. Als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Bundestag warnt er gegenüber ZDF frontal vor Bedrohungen aus Russland und China. Wo er Handlungsbedarf sieht und wie ihm seine Erfahrungen als ehemaliger Springreiter helfen.
ZDF frontal: Die wenigsten Bürgerinnen und Bürger kennen das PKGr. Es tagt geheim und Sie dürfen über Gesagtes nicht sprechen. Welchen Zweck hat Ihr Gremium dann überhaupt?
Henrichmann: Wir kontrollieren die Nachrichtendienste. Dafür stellen wir ihnen Anfragen zu bestimmten Themen oder Vorfällen. Die Präsidenten von BND, Verfassungsschutz und MAD sind regelmäßig bei uns zu Gast und stehen Rede und Antwort. Wir können ihre Liegenschaften besuchen und jederzeit ihre Mitarbeiter befragen.

Ich sehe das Gremium als großen Hebel, denn wir können die Dienste in bestimmten Entwicklungen bremsen und gleichermaßen entwickeln.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

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ZDF frontal: Wo sehen Sie derzeit die größten Gefahren für Deutschlands Sicherheit?
Marc Henrichmann: Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat gesagt: 'Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.' Das sehe ich ähnlich. Russland agiert ganz offen mit großer Brutalität und Wucht. Von der russischen Schattenflotte bis hin zu den 'grünen Männchen', also Soldaten ohne Hoheitsabzeichen, die damals in der Ukraine aufgetaucht sind und vor denen die baltischen Staaten oder auch Polen große Angst haben.

China agiert dagegen mehr im Hintergrund, versucht noch den Anstrich des guten Wirtschaftspartners zu wahren, aber hinter den Kulissen betreibt man auch knallharte Spionage.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

ZDF frontal: Sind die deutschen Dienste denn gut gegen diese Bedrohungen aufgestellt?
Henrichmann: Ich bin immer wieder begeistert, wie viel unsere Dienste aufbieten können, etwa im Bereich Aufklärung, Analyse und Auswertung. Doch wir dürfen in Deutschland nicht immer nur hoffen, dass es uns schon nicht trifft und müssen anfangen, im Verbund mit unseren Partnern zu handeln.

In Bezug auf unsere kritische Infrastruktur in der Ostsee sollten wir auch mal robuster zu Werke gehen.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

Damit meine ich nicht, dass wir bald Schiffe versenken, aber man könnte verdächtige Tanker von Russlands Schattenflotte doch auch mal festsetzen, die Besatzung mitnehmen und verhören – so wie es unsere Partner aus Finnland und Estland schon getan haben. Notfalls muss internationales Recht dafür geändert werden.
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ZDF frontal: Durch das Aussetzen der Schuldenbremse kann auch für die Dienste deutlich mehr Geld ausgegeben werden - woran mangelt es?
Henrichmann: Beim Datenaustausch gibt es großen Handlungsbedarf. Ein Beispiel: Der BND bekommt eine Akte von einem befreundeten Dienst, etwa aus den USA. Das sind also Informationen, die der BND nicht selbst erhoben hat. Dann sagen andere europäischen Dienste: Prima, die hätten wir auch gerne.

Dann müssen sich doch tatsächlich BND-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hinsetzen, die Akten auf personenbezogene Daten durchsuchen und händisch schwärzen - wegen Datenschutz!

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

Auch die Frage der Übermittlung an die Bundeswehr ist regelmäßig Thema. Derzeit dürfen die deutschen Dienste nicht ohne weiteres Daten der Bundeswehr zur Verfügung stellen. Die soll im Verteidigungsfall aber sofort ein Lagebild parat haben. Das ist nicht Zeitenwende-angemessen, hier muss es bessere gesetzliche Grundlagen geben.
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ZDF frontal: In Großbritannien oder im Baltikum gibt es für die Arbeit von Nachrichtendiensten ein größeres Verständnis in der Bevölkerung. Wie kann Deutschland das lernen?
Henrichmann: Ich möchte öffentlich mehr über die geopolitische Bedrohungslage sprechen und wie sich die Bevölkerung - beispielsweise bei Falschmeldungen auf sozialen Medien - vor hybriden Szenarien schützen kann. Ich plane mit dem Gremium eine Konferenz, auf der andere befreundete Kontrollgremien über ihre Arbeit berichten. Ich denke an die Balten, die Polen oder Skandinavier - Staaten, bei denen durch Russlands hybride Angriffe richtig viel los ist.
ZDF frontal: Die Wahl des PKGr vor einem Monat hat für Kritik gesorgt. Zum einen wurde es auf neun Sitze verkleinert. Die zwei Kandidaten der AfD sowie Heidi Reichinnek von den Linken haben im Bundestag dann nicht die nötige Mehrheit bekommen. Deshalb sitzt mit dem Grünen-Politiker Konstantin von Notz nur ein einzelner Oppositionsabgeordneter im Gremium. Ist das im Sinne der parlamentarischen Kontrolle?
Henrichmann: Ich fand das PKGr schon in der vergangenen Legislatur zu groß und teilweise nicht so effizient.

Die Linken haben mit Heidi Reichinnek zudem jemanden ins Rennen geschickt, über die ich aus anderen Fraktionen das Wort 'Spaßkandidatur' gehört habe.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

Der Fraktionsvorsitz passt einfach nicht zu stundenlangen Sitzungen, in denen Handys draußen bleiben müssen und man nicht erreichbar ist. Dietmar Bartsch wurde ins Vertrauensgremium gewählt, daran sieht man, dass es nicht um eine Ablehnung der Linken per se geht.
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ZDF frontal: Auch die AfD sitzt wieder nicht im Kontrollgremium. Begrüßen Sie das?

Das Parlament hat den AfD-Kandidaten nicht vertraut und ich kann es verstehen. Sonst könnten wir im Zweifel gleich Russland oder China erzählen, was wir da besprechen.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

Henrichmann: Wenn eine Fraktion Gegenstand nachrichtendienstlicher Maßnahmen ist - wenn wir im Gremium etwa über das AfD-Gutachten sprechen - und die Betroffenen am gleichen Tisch sitzen, dann ist doch klar, dass sie da nicht sein sollten.
ZDF frontal: Sie waren Springreiter, sind mit Pferden aufgewachsen. Was haben Sie dort für die Politik gelernt?
Henrichmann: Mein Onkel war Hufschmied, ein Mann wie ein Baum, der hat immer gesagt: Selbst ein kleines Shetlandponny könnte mich durch die Manege ziehen, wenn es will.

Ich finde es faszinierend, ein Pferd auf seine Seite zu kriegen, das viel stärker ist, am Ende aber mitmacht, weil es einen Sportpartner in dir entdeckt.

Marc Henrichmann (CDU), PKGr-Vorsitzender

Wenn ich in der Politik manchmal denke, das ist jetzt eine hohe Hürde, da komme ich nicht drüber, und dann trotzdem Mitstreiter finde und überzeugen kann - das spornt mich an.
Das Interview führte Julia Klaus, Redakteurin bei ZDF frontal.

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