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Parteitag der Grünen:Alles auf Habeck
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Die Grünen haben sich auf ihrem Bundesparteitag gerüstet für den anstehenden Turbo-Wahlkampf, Robert Habeck zu ihrem Kanzlerkandidaten gekürt - und Kontroversen vermieden.
Natürlich gibt es die Freundschaftsbändchen. Auf dem Parteitag können die über 800 Delegierten bei Bedarf ihre eigene "Kanzler-Era"-Kette nachbasteln. Robert Habeck hatte damit mehr oder weniger subtil aber sicher popkulturbewusst seine Kanzlerkandidatur angekündigt.
An diesem Wochenende nun ging es darum, auch die eigene Partei darauf einzuschwören. "Ich bin grundsätzlich kein Fan von Personenkult, aber ich habe das Gefühl, dass wir im Moment jemanden brauchen, der vorangeht" sagt der Delegierte Maurice Bück aus Zwickau, als er gerade eine Kette bastelt.
Das hört man oft auf diesem Grünen-Parteitag: Eigentlich ist das nicht unser Ding, eigentlich wollen wir Programm statt Personenkult, aber jetzt ist das halt so in diesem Turbo-Wahlkampf.
Baerbock strickt - und lobt Habeck
Seit Freitag trifft sich die Partei in Wiesbaden, den Höhepunkt aber hat die Parteitagsregie für den Sonntag eingeplant: Die Kandidatenkür von Robert Habeck. Vor dessen Bewerbungsrede spricht Annalena Baerbock.
Beim letzten Mal hatte die jetzige Außenministerin die Grünen-Kandidatur gegen Habeck für sich erobert. Ihr Wahlkampf aber wurde zum Fiasko. Viel war seitdem zu hören von Misstrauen und Missgunst zwischen den beiden. Baerbock versucht das alles zu zerstreuen.
"Keiner kann im Sturm das Ruder so rumreißen wie Robert Habeck und zugleich bei Rückenwind die Segel richtig setzen", lobt sie und greift einen Running Gag des Parteitags auf. Sie wolle jetzt auch stricken für den Winterwahlkampf und für "unseren Robert".
Habeck-Rede über Rücktrittsgedanken und Schwimmtipps
Habeck beginnt seine Rede dann mit einem langen Lob an die starken Frauen in seiner Partei. Wohlwissend, dass es bei einigen für Bauchschmerzen sorgt, dass die selbsterklärt-feministischen Grünen einen Mann ins Rennen schicken.
Dann spannt Habeck den ganz großen Bogen. Von Selbstzweifeln ("Ich habe über Rückzug nachgedacht") über das verkorkste Heizungsgesetz bis hin zu seiner Motivation als Kandidat anzutreten.
Er wolle "jetzt nicht kneifen" und dem rauen Ton in Deutschland das Angebot zum Gespräch entgegensetzen. Als er seinen Söhnen das Schwimmen beigebracht hat, hätte er damals gesagt: "Du musst Dich bewegen, sonst gehst Du unter."
Grünen-Parteitag als Wohlfühlbecken
Man kann sich bildlich vorstellen, wie Markus Söder in München Habecks Rede verfolgt, bei solchen Passagen mit den Augen rollt und die passende Replik ins Handy tippt. Aber die eigenen Leute in der Halle holt Habeck damit ab.
Zum Schluss stimmen 96,48 Prozent für ihn als Kandidaten. Ein für Grünen-Verhältnisse hohes Ergebnis. Selbst die sonst eher kritische Grüne Jugend meint, die Rede habe sie überzeugt.
Jetzt führt Habeck eine Partei in den Wahlkampf, die das zurückliegende Jahr tief verunsichert hat. Herbe Verluste bei der Europawahl und in Sachsen, ganz aus den Landtagen geflogen in Thüringen und Brandenburg.
Beschlüsse Nebensache, kaum Kontroversen
Im Wahlkampf schlägt den Grünen zum Teil blanker Hass entgegen. Auch der massive Stimmenverlust bei jungen Wählern quält die Partei. "Wir sind halt nicht mehr die cool kids", sagt ein Mitglied der Parteispitze.
Wohl auch deshalb muten sich die Grünen auf diesem Parteitag nur wenige Kontroversen zu. Was für Streit sorgen könnte, wird geräuschlos abgeräumt. In der Wiesbadener Halle herrscht meistens Heiterkeit, zum Teil gar Euphorie; der kalte Gegenwind muss draußen bleiben.
Als am Samstag - vor dem Habeck-Sonntag - die Vorstandswahlen gelaufen sind und das neue Vorsitzenden-Duo Brantner/Banaszak feststeht, werden die Grünen kurz inhaltlich. Da ist es aber schon 18 Uhr. Und ab 23 Uhr soll auch noch gefeiert werden.
Dementsprechend ackert sich der Parteitag durch die ausgearbeiteten Beschlüsse. Die Grünen bekräftigen ihre Forderung nach einem Tempolimit, verlangen die Legalisierung von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche.
Alles auf Habeck, Wahlprogramm später
Die vorher mit Spannung erwartete Debatte zum Thema Migration ist dann überraschend kurz. Auch hier will sich die Partei nicht zu viel Kontroverse oder einen Kurswechsel zumuten. Wesentliche Reizpunkte, zum Beispiel Asylzentren an den EU-Außengrenzen oder schärfere Abschieberegelungen, packt die Partei nicht an.
Alles auf Habeck, vieles andere später - so kann man dieses Parteitagswochenende zusammenfassen. Im Januar treffen sich die Grünen gleich wieder, wollen dann über ihr Programm für die Bundestagswahl abstimmen.
Der Parteitag endet diesmal überpünktlich und die Delegierten strömen aus der warmen Halle in den Wiesbadener Nieselregen. Mit einem deutlichen Parteimandat für Robert Habeck, zurück in den Gegenwind.
Bernd Benthin ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: dpa
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