U21 steht im EM-Finale: "Wir sind noch nicht fertig"

Antonio Di Salvo klatschte mit Co-Trainer Hermann Gerland ab, ballte die Fäuste - und schrie seine Freude raus. Nachdem der Treffer zum 3:0 (2:0)-Endstand durch Brajan Gruda in der dritten Minute der Nachspielzeit doch noch vom VAR anerkannt wurde, wusste Deutschlands U21-Chefcoach endgültig: In diesem EM-Halbfinale gegen Frankreich wird gar nichts mehr anbrennen.

Schon in der 68. Minute hatte DFB-Torwart Noah Atubolu Freund und Feind beim Stand von 2:0 signalisiert: Deutschland wird ins Finale einziehen. Mit einem unfassbaren Reflex kratzte der Schlussmann des SC Freiburg einen Flugkopfball des eingewechselten Franzosen Thierno Barry aus gut zwei Metern noch von der Torlinie.

Atubolu, der Manuel Neuer als deutschen U21-Rekordtorhüter ablöste, reckte danach demonstrativ den Zeigefinger in die Höhe. Sieben Paraden packte der nun 21-fache Auswahlspieler am Mittwochabend aus.

Die Eindrücke der Glanztaten überwogen hinterher. Der Sieggarant gab nach dem Spiel preis:

Das mag zwar stimmen. Wirklich gefährdet war Deutschlands Sieg allerdings nie. Bereits in der achten Minute staubte Nelson Weiper nach einem Lattentreffer von Paul Nebel zur 1:0-Führung in Kosice ab. Nur sechs Minuten später servierte Weiper einen feinen Assist für Goalgetter Nick Woltemade, der mit seinem sechsten Turniertor auf 2:0 erhöhte (14.).

Die Entscheidung für Weiper, der Nicolò Tresoldi aus der Startelf verdrängte, begründete Di Salvo übrigens mit einem "Bauchgefühl". Anstelle von Brajan Gruda hatte außerdem Ansgar Knauff begonnen.

Weiper, der schon im letzten Gruppenspiel gegen England und im Viertelfinale gegen Italien getroffen hatte, bestätigte Di Salvos Bauchentscheidung. Frankreichs Coach Gérald Baticle tobte dagegen. Dem frühen Doppelschlag der DFB-Junioren waren zwei haarsträubende Fehlpässe seiner Elf vorausgegangen:

Während den meisten Angriffen der Bleuets hinterher die nötige Präzision abging, musste sich Deutschlands U21 höchstens den Vorwurf gefallen lassen, das Ergebnis nicht noch höher gestaltet - oder zumindest nicht früher für die Entscheidung gesorgt zu haben.

So oder so: Aus deutscher Sicht stimmte nicht nur das Resultat. Viele Gesten untermauerten einmal mehr, dass die Chemie im Team passt.

Der bislang gesetzte Tresoldi wärmte sich vor dem Anpfiff bestens gelaunt mit seinen Kollegen auf. Und selbst Abwehrchef Max Rosenfelder, für den das Halbfinale bereits nach elf Minuten wegen einer Oberschenkelverletzung beendet war, setzte ein Zeichen. Er blieb mit bandagiertem Bein auf der Ersatzbank - und nahm dort auch nach der Pause, gestützt von zwei Betreuern, wieder Platz.

Rosenfelders Verletzung war der einzige bittere Wermutstropfen fürs DFB-Team. "Der Verlust von Max tut uns allen sehr, sehr weh. Das war und ist ein Schock", sagte Trainer Di Salvo: "Am Ende habe ich ihm trotzdem gratuliert. Zu einer hervorragenden EM, die er gespielt hat. Er hat einen großen Anteil - und ich habe ihm gesagt, dass wir versuchen, für ihn den Titel zu holen." Das Finale am Samstag gegen England (21.00 Uhr) werde er "definitiv verpassen", sagte Di Salvo über seinen Abwehrchef: "Alles andere wäre ein Wunder."

Auch von seinen Teamkollegen erhielt Rosenfelder reichlich Aufmunterung. "Ich habe ihm gesagt, dass wir für ihn das Spiel gewonnen haben, dass ich auch persönlich für ihn gespielt habe", sagte Tim Oermann, der für Rosenfelder eingewechselt worden war.

Im Endspiel gegen Titelverteidiger England soll nun der vierte EM-Titel nach 2009, 2017 und 2021 her. "Das Wort Bratislava ist oft gefallen", berichtete Di Salvo aus dem Mannschaftskreis:

Auch Atubolu stellte klar: "Wir sind noch nicht fertig." Seit 20 Spielen ist Di Salvos Elf ungeschlagen. 17 Siege und drei Remis gab es seitdem. Die bisher letzte Niederlage jährt sich am Tag des Endspiels zum zweiten Mal.

Ein 0:2 gegen England im letzten Gruppenspiel besiegelte das Vorrundenaus bei der EM 2023. Die Erinnerung an den 2:1-Sieg gegen die Young Lions bei der laufenden EM dürfte deutlich präsenter sein.