Deutschland Tour: Radsport mit wechselvoller Geschichte

Start am 20. August:Deutschland Tour - wechselvolle Radsport-Historie

von Erik Eggers
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Die Deutschland Tour, die Mittwoch startet, hat eine wechselvolle Historie. Geprägt von ökonomischen Krisen und Missbrauch durch die Nazis, kommt sie heute eher bescheiden daher.

Erich Metze (ganz links) gewann 1931 die "Internationale Opel-Deutschland-Rundfahrt"
Erich Metze (ganz links) gewann 1931 die "Internationale Opel-Deutschland-Rundfahrt"
Quelle: Wolfgang Schoppe

Das schwerste Radrennen der Welt. Nicht weniger sollte, wie die Organisatoren stolz verkündeten, die "Großdeutschlandfahrt" darstellen, die am 1. Juni 1939 startete. Sie führte in 20 Etappen über 5.037 Kilometer von Berlin nach Berlin und war damit länger als das Vorbild Tour de France. "Schnelligkeit, Härte, Kühnheit, Draufgängertum und Zähigkeit" seien nötig, um Erfolg zu haben, hieß es im Werbeprospekt.
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Nationalsozialistischer Größenwahn

Jene Rundfahrt war nicht nur ein Radrennen, sie wurde von den Machthabern als Propagandashow genutzt. Schon 1937, bei der 6. Auflage der Tour, hatte Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten die Sieger zum "Deutschen Gruß" antreten lassen.
Im Jahr 1939 war die Rundfahrt, da sie durch das annektierte Sudetenland führte und auch durch Österreich, das durch den "Anschluss" ebenfalls zum Reich gehörte, "eine sportpolitische Demonstration des Größenwahns Nazideutschlands". Das sagt Dieter Vaupel in seinem Buch über die wechselvolle Geschichte der Deutschland Tour.

Lange Pause nach der Erstauflage

Die Vorläufer der Deutschland Tour, die dieses Jahr am 20. August in Essen startet und auch live vom ZDF übertragen wird, wurden stets von ökonomischen Krisen und Konjunkturen beeinflusst.

Mittwoch, 20. August: Prolog
17:30 - 18:30 ZDF-Livestream

Donnerstag, 21. August: 1. Etappe
14:10 - 17:00 ARD

Freitag, 22. August: 2. Etappe
15:05 - 17:00 ZDF

Samstag, 23. August: 3. Etappe
14:00 - 17:00 ARD

Sonntag, 24. August: 4. Etappe
16:15 - 18:00 ZDF (zusammen mit Kanu-WM)

Daher dauerte es nach der Premiere, die am 21. Mai 1911 in Breslau unter dem Label "Quer durch Deutschland" gestartet worden war, insgesamt elf Jahre, bis 1922 eine zweite Rundfahrt organisiert wurde. Die erste Rundfahrt wurde übrigens von einem Fahrer mit Handicap gewonnen: Der Sossenheimer Hans Ludwig sah nur auf einem Auge.
Die Tour 1922 wurde dann zum Ausdruck des Sportbooms der Weimarer Republik, und belegte zum anderen, wie sehr der Radsport bereits mit der Industrie verwoben war.

Erstmals treten Sponsoren auf den Plan

Alle vier Etappen wurden nach Sponsoren benannt: Allright, Torpedo, Komet und Continental. Die dritte Auflage 1927 hieß gar nach dem damals größten Hersteller gleich "Großer Opelpreis von Deutschland".
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Die Rundfahrten der Jahre 1930 und 1931 (offizieller Name: Internationale Opel-Deutschland-Rundfahrt) lockten viele Zuschauer an die Straßen. Die Nazis, die dem Profisport eher skeptisch gegenüberstanden, stahlen dabei dreist die Idee des "Gelben Trikots", das seit 1919 bei der Tour de France den besten Fahrer kleidete. Die acht Werksteams kamen sämtlich aus dem Reich und waren verpflichtet, ausschließlich deutsche Produkte zu verwenden. Die Weltwirtschaftskrise stoppte dann zunächst weitere Austragungen.

14 Millionen an der Strecke

An die enormen Zuschauerzahlen der Rundfahrten in der NS-Zeit – 1937 sollen 14 Millionen Menschen an den Straßen gestanden haben – konnten die kleineren Rundfahrten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr anknüpfen. So schlief das Rennen nach 1952 ein. In der Folge entfachten erst große Erfolge deutscher Fahrer bei der Tour de France gelegentliche Renaissancen der Deutschland-Rundfahrt, etwa die von Hennes Junkermann, Rudi Altig und Rolf Wolfshohl in den Jahren 1960 bis 1962.
Die Neuauflage der Deutschland-Rundfahrt des Jahres 1979 ist ohne die Euphorie, die Dietrich Thurau 1977 auslöste, als er bei der Tour de France bis zur 15. Etappe in Gelb fuhr, ebenfalls nicht zu denken. Das gilt ebenso für die Rundfahrten von 1999 bis 2008, die nicht weniger als eine Folge des Tour-de-France-Sieges von Jan Ullrich 1997 waren – und deren Ende eine Konsequenz des spektakulären Dopingskandals von 2007. 
Teilnehmer der Tour de France 1977 mit unter anderem Dietrich Thurau im gelben Trikot.
Dietrich Thurau (Gelbes Trikot) entfachte 1977 mit seinem Erfolg bei der Tour de France eine Radsport-Euphorie in Deutschland.
Quelle: Imago

Neuauflage 2018

Seit 2018 organisiert die ASO, die auch die Tour de France vermarktet, die Deutschland Tour. Der Vertrag datiert bis zum Jahr 2050. Aber die Dimensionen sind mit fünf Tagen - einem Prolog folgen vier Etappen - überschaubar. Davon, in Deutschland das schwerste Radrennen der Welt auszutragen, träumt jedenfalls heute niemand mehr.
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Quelle: Reuters

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