Zehn Jahre nach der Finanzkrise:Griechenland auf der Überholspur
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2015 steht Griechenland vor der Staatspleite. Die EU zwingt das Land zu massiven Sparmaßnahmen. Heute boomt die Wirtschaft - aber wie nachhaltig ist der Aufschwung?
Die Maschinen rotieren. Jede Menge Überstunden fallen an. Die Auftragsbücher von Jannis Alexopoulos sind voll. Sein Betrieb in Athen produziert Zubehör für die Luft- und Raumfahrt, die Kundschaft ist international. Alexopoulos will dringend expandieren. Er führt das Familienunternehmen in der zweiten Generation. "Momentan steigt unsere Produktion und auch die Nachfrage im ganzen Land", sagt der Unternehmer. "Während der Finanzkrise waren wir nur noch fünf Leute. Heute sind wir zehn."
Vor zehn Jahren sah das noch alles anders aus. Besonders Deutschland drängte Griechenland zum Sparen. Als damals die Finanzminister mal wieder in Brüssel darüber debattierten, ob Griechenland einen weiteren Überbrückungskredit bekommt, sprach der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble diesen berühmten badisch-englischen Satz: "Am 28.4., 24 Uhr, isch over."
Jannis Alexopoulos erinnert sich heute gut an jene schwierigen Jahre.
Da war nur Panik. Ein Land in Panik.
Jannis Alexopoulos, Unternehmer
"Wir lebten alle in der Unsicherheit und wussten nicht, was uns erwartet."
Staatsverschuldung deutlich gesunken
Die Buhmänner der Misere jedenfalls waren für die wütenden Demonstranten damals schnell klar: Wolfgang Schäuble. Aber vor allem die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf einer Veranstaltung in Athen erinnert sie sich jetzt an ihr Credo von damals: "Es muss alles getan werden, damit Griechenland im Euro-Raum bleibt - auch wenn ich dafür harte Forderungen stelle. Das war immer meine Prämisse."
Seither ist viel passiert. Griechenlands Staatsverschuldung ist immer noch hoch, aber massiv gesunken. Die Arbeitslosigkeit hat sich mehr als halbiert, die Wirtschaft boomt. Nikolas Vettas von der Uni Athen erklärt:
Griechenland ist sehr viel stabiler.
Nikolas Vettas, Wirtschaftswissenschaftler
"Die Risiken sind geringer. Die Finanzierung auf den Märkten erfolgt unter Bedingungen, die mit denen der übrigen europäischen Länder vergleichbar sind", erläutert der Wirtschaftswissenschaftler.
Tourismus, Bürokratieabbau, Digitalisierung
Hauptgründe für die Wende: der Tourismus als verlässlicher Wirtschaftsmotor; ein radikaler Bürokratieabbau und die konsequente Digitalisierung der Verwaltung. Für Alexopoulos, wie für viele andere Firmen, ein Befreiungsschlag: "Alles ist digital. Du beginnst morgens und mittags bist Du fertig. Man muss keine Unterlagen mehr ausdrucken, zu den Behörden gehen. All das ist nicht mehr nötig. Alles geht viel schneller und ist transparent."
Nur bei den Angestellten kommt vom Aufschwung wenig an. Die Löhne liegen heute immer noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Nachgefragt in den Straßen Athens: "Die Wirtschaft verzeichnet einen Aufschwung, aber das Leben der Menschen hat sich nicht verändert", sagt Adonis. Und Maria erklärt: "Also ich muss mich immer einschränken. Ich spüre keinerlei Aufschwung." Ein weiterer, Georgios, kritisiert: "An uns wird einfach nichts weitergegeben."
Wie wirkungsvoll also ist Griechenlands Aufschwung wirklich? Und wie nachhaltig? Die Krise jedenfalls scheint noch nicht vorbei zu sein. Wirtschaftsexperte Vettas mahnt:
Die übertriebene Konzentration auf den Tourismus hilft da nicht.
Nikolas Vettas, Wirtschaftswissenschaftler
"Wir müssen dort investieren, wo ein Mehrwert geschaffen wird", rät Vettas. Es brauche mehr neue Technologien, mehr Exporte und weiterverarbeitende Betriebe.
Solche wie den von Jannis Alexopoulos. Der Unternehmer ist zuversichtlich: "Wir wollen in den kommenden Jahren auf jeden Fall weiter wachsen."
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