Ukraine-Hilfsorganisation aus Litauen: Tausend Drohnen, pro Monat
Interview
Ukraine-Hilfe aus Litauen:Wie eine NGO Tausende Drohnen für Kiew besorgt
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Jonas Oehman hat eigenen Angaben zufolge die größte europäische NGO für Militärausrüstung für die Ukraine gegründet. Sie kauft bis zu 2.000 Drohnen pro Monat. Wie funktioniert das?
Ukrainische Infanteristen mit Drohnenausrüstung der NGO "blue/yellow".
Quelle: Jonas Oehman
Die Nichtregierungsorganisation "blue/yellow" kauft Drohnen, Kleidung und Helme und liefert sie direkt an Soldaten in der Ukraine. Rund 100 Millionen Euro Spenden hat die NGO mit Sitz in Litauen laut eigenen Angaben bereits eingesammelt.
Ihr Gründer Jonas Oehman sagt im Gespräch mit ZDF frontal, dass sie oft schneller arbeiteten als staatliche Akteure - und derzeit vor allem eines gebraucht werde: Drohnen. Was Deutschland bei der eigenen Aufrüstung beachten sollte und warum sich Oehman für die Ukraine engagiert.
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ZDF frontal: Welche Ausrüstung für das ukrainische Militär kauft Ihre NGO "blue/yellow"?
Jonas Oehman: Wir sind eine zivile Organisation, wir liefern also keine Waffen oder Munition. Wir können etwa 150 verschiedene Dinge besorgen, darunter Autos, Drucker, Medizin, Helme, Optiken. Doch der Großteil - ich schätze etwa 70 Prozent - hat aktuell mit dem Drohnen-Kontext zu tun. Dazu zählen unterschiedliche Drohnen, aber auch Geräte für deren Abwehr.
Jeden Monat kaufen wir zwischen 1.000 und 2.000 Drohnen für die Ukraine.
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Jonas Oehman, Gründer der NGO "blue/yellow"
ZDF frontal: Sie liefern direkt an die Einheiten. Woher wissen Sie, was die benötigen?
Oehman: Wir haben sehr viele direkte Kontakte zu Kommandeuren, Unteroffizieren und Soldaten in unterschiedlichen Funktionen und Einheiten. Ich selbst bin einmal im Monat in der Ukraine, war häufig an der Front. Wir kommunizieren direkt mit unseren Kontakten via Messenger oder wir telefonieren. Wir kennen die Leute teils schon sehr lange, da ist Vertrauen da. Sie sagen uns, was benötigt wird, wir liefern es. Wofür der Staat schon mal drei bis sechs Monate braucht, das besorgen wir oft in wenigen Wochen.
Jonas Oehman (l.) neben ukrainischem Soldaten
Quelle: Jonas Oehman
ZDF frontal: Woher bekommen Sie das Gerät?
Oehman: Vieles können wir direkt in der Ukraine kaufen. Es gibt dort mittlerweile viele Drohnenhersteller. Wir kaufen aber auch in Litauen oder anderen EU-Staaten ein. In Deutschland gibt es einen Hersteller mit sehr guten, aber teuren Geräten: 200.000 Euro kostet eine deutsche Drohne. Wir haben in der Vergangenheit dort gekauft, jetzt sind wir bei einem ukrainischen Hersteller, der 20.000 für eine vergleichbare Drohne nimmt. Sie ist zwar nicht so gut wie die deutsche, aber wenn sie abstürzt, geht nicht so viel Geld verloren.
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Oehman: Definitiv. In einem Krieg spielt Zeit eine wichtige Rolle.
Bist du zu spät, wirst du verlieren. Wenn man an vermeintlich perfekten Lösungen arbeitet, dauert es zu lange.
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Jonas Oehman, Gründer der NGO "blue/yellow"
In der Ukraine sind Menschen in die Drohnenproduktion eingestiegen, die früher beruflich etwas ganz anderes gemacht haben. Natürlich braucht es nicht nur Drohnen, sondern auch schweres Kampfgerät. Deutschland will unter anderem 1.000 Leopard-Panzer kaufen, aber man muss trotzdem flexibel bleiben. Meiner Meinung nach wird es in fünf bis zehn Jahren Roboter-Panzer geben, ferngesteuert ohne Soldaten darin. Daran muss man sich schnell anpassen und umrüsten können.
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ZDF frontal: Sie sind Schwede, leben in Litauen und waren mal Filmemacher: Warum engagieren Sie sich seit so langer Zeit im Ukraine-Krieg?
Oehman: Ich habe 2014 "blue/yellow" gegründet, weil ich damals bei der Annexion der Krim durch Russland direkt verstanden habe: Jetzt ist Krieg. Und wir müssen uns wehren, denn Putins Hunger ist groß. In Schweden habe ich im Militär gedient, war da beim Nachrichtenwesen.
Die Zurückhaltung im Westen irritierte mich damals. Man sei 'besorgt', hieß es immer nur. Ich aber wollte was tun. Ich habe das Filmemachen aufgegeben und mich der Unterstützung der Ukraine gewidmet. Von ukrainischer Seite habe ich mehrere Abzeichen und Medaillen erhalten, was mich sehr freut.
ZDF frontal: Sie haben seitdem sehr hohe Spendensummen eingesammelt - woher kommt der Großteil?
Oehman: Wir haben in elf Jahren rund 100 Millionen Euro gesammelt und sind damit die größte NGO in dem Bereich in der Europäischen Union. Etwa 90 Prozent der Spenden kommen aus Litauen, entweder von Privatpersonen oder von Unternehmen.
Die Menschen in Litauen verstehen durch ihre Geschichte mit der Sowjetunion besser, was auf dem Spiel steht, als viele andere EU-Staaten.
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Jonas Oehman, Gründer der NGO "blue/yellow"
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Oehman: Zum Glück kaum, denn wir haben meist direkten Kontakt mit den Einheiten, es sind also wenige Ebenen und Level dazwischen geschaltet, die die Hand aufhalten könnten. Es gab aber einzelne Fälle, in denen unsere Lieferung für das Militär später im Internet verkauft wurden. Wir haben das den ukrainischen Behörden gemeldet. Aber das waren Einzelfälle.
Das Interview führte Julia Klaus, Redakteurin bei ZDF frontal.
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