Flugabwehr: Die Ukraine hofft auf Hilfe - die EU zögert

Flugabwehr und Militärhilfe:Die Ukraine hofft auf Hilfe - die EU zögert

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Die Ukraine hofft auf weitere Flugabwehr vom Typ Patriot. Viele EU-Außenminister zeigen sich beim Gipfeltreffen in Luxemburg aber zögerlich. Nur wenige Länder wirken entschlossen.

Flaggen der EU-Mitgliedsländer (Symbolbild).
Die EU-Mitglieder sprechen in Luxemburg über weitere Unterstützung der Ukraine. (Symbolbild)
Quelle: Julien Warnand/epa/dpa

Als am Donnerstag ein russischer Angriff einen Fernsehturm in der ukrainischen Stadt Charkiw trifft, zeigt es sich erneut. Die Ukraine braucht dringend Hilfe, um Russlands Aggression weiterhin etwas entgegen zu setzen. Wenig überraschend bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Abend um mehr internationale Unterstützung bei der Luftverteidigung. Charkiw und andere ukrainische Städte bräuchten insbesondere Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot, betonte Selenskyj am Montag in seiner Videoansprache.
Wer kann also liefern und wer ist dazu bereit? Es sind entscheidende Fragen, über die aktuell die Außenminister der EU bei ihrem Treffen in Luxemburg beraten. Zwar betonten am Montag verschiedene Politikerinnen und Politiker, darunter auch der Außenbeauftragte Josep Borell, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, doch eine Einigung folgte anschließend nicht. Keine Zusage für zusätzliche Patriots.

EU-Staaten zögern bei Patriots

Warum das so ist, zeigt sich am Rande des Treffens bei Pressestatements. So begründet Polens Außenminister, Radoslaw Sikorsiki, sein Nein mit der eigenen Bedrohung durch Russland.

Polen ist ein Grenzstaat. Unser Luftraum wird regelmäßig von russischen Raketen verletzt. Polen hat auch nur zwei Patriot-Batterien, wir können wirklich keine entbehren.

Radoslaw Sikorski, Außenminister Polen

Schwedens Verteidigungsminister Pal Jonson antwortete vorsichtiger auf die Frage nach einer möglichen Bereitstellung durch sein Land. Er könne das nicht ausschließen, doch fokussiere sich Stockholm aktuell auf finanzielle Beiträge.
Die niederländische Außenministerin Hanke Bruins Slot sagte, ihr Land prüfe "momentan jede Art von Möglichkeit". Man biete zudem finanzielle Hilfe für eine deutsche Initiative an, die Ukraine bei der Stärkung von deren Luftabwehr zu unterstützen und mehr Drohnen zu kaufen. Auf die Frage, warum die Niederlande sich zieren, einige von ihren Patriot-Systemen abzugeben, entgegnete Bruins Slot, dass "wir erneut schauen, ob wir unsere Bestände dessen aufbrauchen können, was wir noch haben". Doch sei dies schwer zu bewerkstelligen.

Deutschland wird weiteres Patriot-System liefern

Dem gegenüber steht ein klares Ja der deutschen Bundesregierung. Die hatte Mitte April angekündigt, der Ukraine ein weiteres Patriot-System zu liefern.
Neben Deutschland gehören die Niederlande, Spanien, Schweden, Polen, Griechenland und Rumänien zu den europäischen Ländern, die über Patriot-Batterien verfügen. Die Boden-Luft-Raketen gelten als besonders effektiv gegen Hyperschallraketen, mit denen das russische Militär derzeit verstärkt die Infrastruktur der Ukraine unter Beschuss nimmt.
Die Infografik zeigt das Flugabwehrsystem Patriot. Es erkennt Flugobjekte im Umkreis von 100 Kilometern und kann Raketen abfeuern.

US-Repräsentantenhaus billigt Milliarden-Hilfen

Erleichtert zeigten sich die EU-Vertreter angesichts der aktuellen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten. Am Samstag hatte das US-Repräsentantenhaus nach monatelangem Stillstand ein Hilfspaket von 61 Milliarden US-Dollar (rund 57 Milliarden Euro) gebilligt, das auch dringend benötigte Waffenlieferungen enthält. Die nötige Zustimmung durch den US-Senat steht zwar noch aus, gilt aber als sicher.

Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern das ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der europäischen Friedensordnung.

Annalena Baerbock, Außenministerin

Vor dieser Zustimmung telefonierte US-Präsident Joe Biden am Montag mit seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj und versprach, die Hilfe werde schnell ankommen. Zudem seien im Gespräch auch Details zur Lieferung neuer reichweitenstarker Raketen vom Typ ATACMS "finalisiert" worden, verkündete Selenskyj.
Bisher haben die USA ATACMS mit einer gedrosselten Reichweite von 165 Kilometern geliefert. Die Ukraine wünscht sich aber einen Raketentyp mit einer Reichweite von 300 Kilometern, um auch Ziele weit hinter der Front angreifen zu können. Selenskyj machte am Montag keine Angaben dazu, welches Modell ATACMS die USA liefern wollen.

Großbritannien verspricht Militärhilfe

Unterdessen hat auch Großbritannien angekündigt, die Ukraine mit weiterer Militärhilfe in Höhe von 500 Millionen Pfund (knapp 580 Millionen Euro) zu unterstützen. Premierminister Rishi Sunak werde die Hilfe bei einem Besuch in Warschau bekanntgeben, teilte sein Büro mit. Sunak reist am Dienstag zu Gesprächen mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in die polnische Hauptstadt.
Am Mittwoch wird Sunak Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin treffen. Der britische Premier warnte erneut: Sollte Russlands Präsident Putin erfolgreich sein, "wird er nicht an der polnischen Grenze Halt machen."
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Quelle: kr mit Material dpa, AFP

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