Regierungskrise in Paris: Warum ist Frankreich so verschuldet?

Regierungskrise in Paris:Warum ist Frankreich so verschuldet?

Anne Arend
von Anne Arend, Paris
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Proteste und politische Blockaden erschweren derzeit Frankreichs Haushaltspolitik. Doch die Schuldenkrise hat sich über Jahrzehnte aufgebaut.

Frankreichs Premierminister François Bayrou (r) trifft ein, um Präsident Emmanuel Macron (l) bei seiner Rede vor Militärführern im Hôtel de Brienne in Paris am 13. Juli 2025 zuzuhören.

Frankreichs Schuldenberg wächst weiter an. Die Sparpläne von Premier Bayrou sind umstritten.

Quelle: afp

Seit Tagen bemüht Frankreichs Premier François Bayrou das gleiche Bild, wenn es um Schulden geht. Er vergleicht sein Land mit "einem Schiff, das ein Loch im Rumpf hat und seit 50 Jahren voll Wasser läuft". Und dann fügt er hinzu:

In Frankreich wurde seit fünfzig Jahren kein ausgeglichener Haushalt vorgelegt.

François Bayrou, Frankreichs Premierminister

Und zwar von keiner Regierung, ganz gleich ob links, zentristisch oder rechts. Seit den 70er-Jahren gibt das Land mehr Geld aus, als es einnimmt. Damals expandierte der Sozialstaat, es folgten kostspielige Verstaatlichungsprogramme und die Rente mit 60.

Rapide wuchs die Schuldenlast auch unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Und Emmanuel Macron, der heutige Präsident und frühere Banker, der einst versprach, alles anders zu machen, brach gar den Schuldenrekord.

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Schuldenquote nur in Griechenland und Italien höher

Gefragt nach den Gründen, wird oft auf globale Herausforderungen verwiesen. Die Finanzkrise 2008 und 2009 versuchte Frankreich mit teuren Konjunkturprogrammen abzufedern, ebenso die Corona-Pandemie.

Dabei lag bereits zu dieser Zeit die Schuldenquote bei 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, heute sind es 114 Prozent. In Europa ist nur in Italien und Griechenland die Belastung höher. Doch während dort die Schuldenquoten langsam sinken, steigt sie in Frankreich.

Das sei vor allem ein politisches Versagen, meint die Wirtschaftswissenschaftlerin Anne-Sophie Alsif: "Als die Pandemie überstanden war, hätte man die Hilfen gezielter einsetzen und kostensparende Reformen durchführen müssen. Aber dann folgte in Frankreich die politische Krise. Und der Staat hat sich massiv verschuldet, um weiter Geld zu verteilen."

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Widerstand gegen Reformen

Milliardenhilfen, damit die Menschen über die Runden kommen. Doch der Unmut schwelt weiter. Die Geschichte zeigt: In Frankreich ist die Bereitschaft zum Protest mehr als ausgeprägt. Reformpläne und Sparmaßnahmen scheitern oft am Widerstand auf der Straße, Gelbwestenbewegung und Rentendemos sind die jüngsten Beispiele.

Und auch im Parlament steigt seit ein paar Jahren der Druck. Die Parteienlandschaft ist zersplittert. Die Minderheitsregierung hat kaum Handlungsspielraum. Politische Blockaden behindern die Haushaltspolitik.

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Das Misstrauen in Frankreichs neuer Regierung ist groß - und sie hat keine Mehrheit im Parlament.

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Keine Koalitionsbereitschaft in Paris

Wirtschaftswissenschaftlerin Anne-Sophie Alsif erklärt:

Es gibt keine Parteien, die eine Koalition bilden wollen, um zumindest den Haushalt zu verabschieden.

Anne-Sophie Alsif, Wirtschaftswissenschaftlerin

"Und deshalb befinden wir uns in einer politisch unsicheren Lage. Infolgedessen geraten unsere Gläubiger in Panik und unsere Belastungen steigen. Ein Schneeballeffekt." Hinzu kommt dann auch, dass sich Unternehmen und Privathaushalte zurückhalten. Und weniger Geld ausgeben.

Der Schulden-Strudel scheint kaum aufzuhalten, solange unklar ist, wie und ob Frankreich zu einem stabilen politischen Kurs zurückfinden kann. Jetzt stellt Premierminister François Bayrou die Vertrauensfrage. Es ist davon auszugehen, dass er sie nicht übersteht, dass die anderen Parteien seinem Sparprogramm nicht folgen werden. Das Land steuert auf die nächste Krise zu.

Anne Arend berichtet für das ZDF-Studio Südwesteuropa aus Paris.

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