US-Atombombe: Wie der Hiroshima-Abwurf heute diskutiert wird
80 Jahre nach Hiroshima :Wie der Atombomben-Abwurf heute diskutiert wird
von Chiara Dombek
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Vor 80 Jahren hat eine US-Atombombe die japanische Stadt Hiroshima zerstört. Bis heute ist ihr Abwurf unter Historikern umstritten - und ihre Folgen bewegen die Welt.
Das Friedensdenkmal in Hiroshima erinnert an den Atombomben-Abwurf am 6. August 1945 über der Stadt.
Quelle: action press
Am Morgen des 6. August 1945 werfen US-Streitkräfte die Atombombe mit Codenamen "Little Boy" über Hiroshima ab. Gegen 8:16 Uhr explodiert sie. 80 Prozent der Innenstadt werden in Sekunden komplett zerstört. Drei Tage später wirft ein US-Flugzeug eine zweite Atombombe über Nagasaki ab.
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Bis heute lässt sich die tatsächliche Zahl der Todesopfer nicht eindeutig feststellen, manche Schätzungen gehen jedoch von bis zu 350.000 Toten in beiden Städten zusammen aus. Nach den Abwürfen verkündet Japan am 15. August 1945 seine Kapitulation, der Zweite Weltkrieg endet wenig später offiziell.
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US-Atombombenabwürfe und der Weg zu Japans Kapitulation
Die Amerikaner setzten in Hiroshima und Nagasaki erstmals Atombomben gegen Menschen ein. Bis heute diskutieren Wissenschaftler über ihre Notwendigkeit. Manche argumentieren, die Bomben hätten den Zweiten Weltkrieg verkürzt. "Man muss sich aber das Gesamtbild anschauen", erklärt Historiker Takuma Melber von der Universität Heidelberg gegenüber ZDFheute.
Hiroshima und Nagasaki spielten zwar eine zentrale Rolle für die Kapitulation Japans, "aber eben auch die anhaltenden alliierten Bombardements sowie die am 8. August 1945 erfolgte sowjetische Kriegserklärung an Japan waren wichtig", so Melber.
Bereits seit den 1930er Jahren hatte sich das Verhältnis zwischen den USA und Japan zunehmend verschlechtert. Japan expandierte militärisch in Asien, beispielsweise durch den Einmarsch in China 1937 und stieß damit auf Widerstand vonseiten der USA. Diese verhängten gemeinsam mit Großbritannien 1941 ein Erdöl-Embargo, um die Ausbreitung Japans zu stoppen. Nach gescheiterten diplomatischen Verhandlungen zwischen den USA und Japan griff der Inselstaat am 7. Dezember 1941 den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor an. Die USA erklärte ihm daraufhin den Krieg. Der Zweite Weltkrieg erreichte damit eine globale Dimension, auch weil Japan Verbündeter der Nationalsozialisten war.
In den folgenden Jahren kam es zu erbitterten Kämpfen im Pazifik, unter anderem um die Inseln Midway und Iwo Jima. Trotz schwerer Verluste verweigerte Japan die bedingungslose Kapitulation, woraufhin die USA am 6. August 1945 die erste Atombombe über Hiroshima abwarfen, drei Tage später eine zweite über Nagasaki.
Am 15. August 1945 verkündete der japanische Kaiser Hirohito in einer Radioansprache die Kapitulation Japans. Am 2. September wurde die Kapitulationsurkunde formell an Bord eines US-Kriegsschiffes unterzeichnet.
Quelle: dpa, AFP
Zuvor hatte Japan versucht, eine diplomatische Lösung über die UdSSR zu erreichen, um einen für sie günstigeren Frieden auszuhandeln - erfolglos. Japan musste somit fortan an einer weiteren Front kämpfen, "die Kriegsniederlage war also nur noch eine Frage der Zeit", so Melber. Mit Blick auf einen militärischen Sieg der USA gegen Japan sei der Einsatz der Atombombe daher nicht notwendig gewesen.
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Wie US-Präsident Truman das Vorgehen rechtfertigte
Einige Historiker vermuten, dass neben militärischen Überlegungen auch politische und wirtschaftliche Motive eine Rolle beim Abwurf der Atombomben spielten, etwa die Rechtfertigung der enormen Entwicklungskosten der Bombe im sogenannten Manhattan-Projekt. Offiziell begründete Präsident Truman den Abwurf damit, eine Invasion Japans verhindern zu wollen und amerikanische Leben zu retten.
Diese Argumentation ist jedoch umstritten, da nicht abschließend geklärt ist, ob Japan seine Kriegsstrategie so weitergeführt hätte. Die USA hätten sich bei der Planung stark auf ihre bisherigen Erfahrungen mit den Japanern verlassen und deshalb mit sehr hohen Verlusten gerechnet, so Melber.
Aufgrund der schonungslosen, brutalen und fatalistischen japanischen Kriegsführung (...) erscheinen mir die amerikanischen, zeitgenössischen Einschätzungen und Verlustkalkulationen auch plausibel.
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Takuma Melber, Universität Heidelberg
Im sogenannten Manhattan-Projekt arbeiteten Wissenschaftler unter strengster Geheimhaltung an der Entwicklung von Atomwaffen. Ziel war es, die Bombe schneller als die Nationalsozialisten zu entwickeln. Die beiden deutschen Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann hatten bereits 1938 erfolgreich einen Uran-Kern gespaltet.
Die US-Regierung unter Roosevelt stellte dem Manhattan-Projekt ab 1942 mehr finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung, um das Projekt zu beschleunigen. Im Dezember des gleichen Jahres entwickelten die Forscher unter Leitung von General Leslie Groves und dem Physiker J. Robert Oppenheimer den ersten funktionsfähigen Kernreaktor. Am 16. Juli 1945 zündeten die Wissenschaftler unter dem Codenamen "Trinity" (Dreifaltigkeit) zum ersten Mal erfolgreich eine Atombombe in der Wüste von New Mexico. Die Explosion hatte eine Sprengkraft von etwa 20.000 Tonnen - mehr als das 3.000-fache der Sprengkraft der damals stärksten herkömmlichen Bombe.
Die Verluste auf japanischer Seite waren nach der Atombombe in Hiroshima groß, die überwiegende Mehrheit der Todesopfer Zivilisten. Truman rechtfertigt den Angriff auf Hiroshima in seiner Rede am 9. August 1945: Man habe die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen, einen Militärstützpunkt, und habe versucht, so weit wie möglich die Tötung von Zivilisten zu vermeiden. Dieser Angriff sei eine Warnung. Sollte Japan sich nicht ergeben, würden Bomben auf seine Kriegsindustrie abgeworfen und dabei Tausende von Zivilisten sterben. Noch am selben Tag explodierte die zweite Atombombe über Nagasaki.
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Atombomben-Abwurf als Zeichen an die UdSSR?
In der Debatte um die Abwürfe hält sich zuletzt das Argument, die Atombomben seien eine Machtdemonstration gegenüber der Sowjetunion gewesen. Takuma Melber sieht vor allem die Atombombe auf Nagasaki als indirekten Fingerzeig auf die UdSSR. So wollten die USA mit dem Abwurf auch demonstrieren, dass sie mehrere Atombomben verschiedener Art bauen können, so Melber.
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Auch 80 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bleibt die historische Bewertung umstritten. In der ganzen Welt erinnert man bis heute an das menschliche Leid, das der Einsatz von Atomwaffen verursacht hat. Die Debatte über die Notwendigkeit von Atomwaffen ist deswegen auch eine Mahnung: Der Jahrestag soll sowohl das Gedenken an die Opfer als auch die Verantwortung für die Zukunft wachhalten.
Wissenschaftler diskutieren bis heute über das Atomprogramm der Nationalsozialisten. Im Deutschen Museum in München hat US-Historiker Mark Walker seine Forschung dazu vorgestellt.