Nach den Protesten in Nepal:Aufstand der Jugend im Himalaya-Staat
Nepals Gen Z treibt mit ihren Protesten die Regierung aus dem Amt. Die spontane Rebellion hat das Land verändert. Nepals Jugend hofft auf einen politischen Neuanfang.
Seit Anfang September proben vor allem junge Menschen in Nepal den Aufstand - gegen eine als korrupt empfundene Regierung und die Sperrung sozialer Medien. Was wollen sie erreichen?
17.09.2025 | 6:18 minDie Zerstörungen in seiner Stadt Kathmandu machen ihn sauer. Santosh nimmt uns mit zur Zentrale der Verkehrspolizei der nepalesischen Hauptstadt, oder das, was davon noch übrig ist. Der 25-jährige Fotograf hat die Rebellion seiner Generation von Anfang an dokumentiert - die Proteste, die vielen jungen Opfer, die blinde Zerstörungswut. "Wer macht so was?", fragt Santosh.
Anti-Korruptions-Demonstrationen wurden zu Flächenbrand
Am 9. September stand das ganze Regierungsviertel in Flammen: das Parlament, Büros, Ministerien, der oberste Gerichtshof. Auch Hotels und Supermärkte wurden verwüstet. Zwei Tage, die Nepal ins Chaos gestürzt haben.
Auslöser für den Flächenbrand waren die zunächst friedlichen Anti-Korruptions-Demonstrationen gegen die alte Machtclique und das inzwischen wieder zurückgenommene Social-Media-Verbot. Aus Sorge vor weiteren Eskalationen war das Militär ausgerückt und hatte eine Ausgangssperre verhängt. Bei den blutigen Unruhen kamen 72 Menschen ums Leben, über 2.000 wurden verletzt.
Bei den gewaltsamen Massenprotesten gegen ein Verbot großer Social-Media-Plattformen waren mehrere Menschen gestorben. Das Verbot wurde daraufhin aufgehoben.
09.09.2025 | 1:14 minFotograf Santosh kann selbst kaum glauben, wie schnell alles ging, was sich durch die Proteste der Gen Z, der Generation der seit 1997 Geborenen, die mit Smartphone, Facebook, TikTok und WhatsApp aufgewachsen sind, in seinem Land alles verändert hätte.
Wir haben die alte Führung verjagt und haben bereits eine neue Regierung.
Santosh, Fotograf
"In sechs Monaten soll es Neuwahlen geben, das macht mich zuversichtlich für die Zukunft", sagt Santosh.
Gen-Z-Aktivisten setzen Wunsch nach neuer Regierungschefin durch
In einer Blitzaktion wurde Sushila Karki als neue Regierungschefin vereidigt. Die frühere Verfassungsrichterin, die als überparteilich und Verteidigerin der Freiheitsrechte gilt, war der Vorschlag der Gen-Z-Protestbewegung. In einer digitalen Abstimmung hatten sich die jungen Demonstrierenden auf Sushila Karki geeinigt. In Gesprächen mit den Gen-Z-Aktivisten ließen sich Militärchef und Staatspräsident überzeugen.
Als eine der ersten Amtshandlungen hat Sushila Karki bereits Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer und eine Untersuchung der Krawalle veranlasst. Sie sei überzeugt, dass ein "derartiger Ausbruch von Gewalt und Zerstörung geplant und Teil einer Verschwörung war". Besonders die jungen Nepalesen setzen große Hoffnungen in die 73-Jährige. Sie ist die erste Frau an der Spitze ihres Landes. Gleich zu Wochenbeginn machte Karki deutlich, wie sie ihre Rolle als Übergangs-Premierministerin sieht:
Ich bin nicht hier, weil ich es mir gewünscht habe. Die jungen Menschen auf der Straße forderten 'Holt Sushila Karki'.
Sushila Karki, Interimsregierungschefin Nepal
Karki erklärt weiter: "Und deshalb habe ich dieses Amt übernommen, deshalb arbeite ich hier mit meinem Team, aber nicht weil ich die Macht wollte."
Nach den gewaltsamen Massenprotesten in Nepal ist das Parlament aufgelöst worden. Für den März sind Neuwahlen angesetzt, bis dahin soll eine Übergangsregierung geführt werden.
13.09.2025 | 0:24 minHoffnung auf Wandel mit neuer Regierung
"Sie ist in genau die Richtige", sagt die 26-jährige Sanju Lama, die für ein nepalesisches Online-Magazin arbeitet: "Sushila Karki ist nicht mehr die Jüngste, klar, aber wir brauchen jetzt mehr eine Mutter, die sich um das ganze Land, um unsere Nation als Ganzes kümmert und den Wandel einleitet."
Vor allem für Sanju Lamas Generation wurden die Perspektiven in Nepal immer schlechter. Die Unzufriedenheit wuchs, die Kritik in den Sozialen Medien wurde zunehmend lauter. Die Jugend warf der alten Führungselite grassierende Korruption und eine immer dreistere Klüngel- und Vetternwirtschaft vor.
Nepal mit seinen 30 Millionen Einwohnern ist ein junges Land. Durchschnittsalter: 25 Jahre. Viele Nepalesen mussten ihre Heimat bereits verlassen. Sie arbeiten auf den Baustellen Malaysias oder der Golfstaaten. Die Wirtschaft eines der ärmsten Länder Asiens ist schwach. Es gibt kaum neue Jobs für die gut ausgebildete Jugend. Schätzungen zufolge verlassen täglich 2.000 Nepalesen das Land. Nach der Rebellion überlegen jetzt viele, in ihrer Heimat zu bleiben. "Unser Land ist großartig, wir Nepalesen müssen nur zusammenstehen", bringt es der 18-jährige Ashal auf den Punkt.
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von Johannes Lieber