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Antrag von Union, SPD und Grünen:Wahl neuer Bundesverfassungsrichter vertagt
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Bei der Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht gibt es in der Koalition deutliche Unstimmigkeiten. Jetzt wurden alle drei Wahlen im Bundestag verschoben.
Im Ringen um die Neubesetzung dreier Richterstellen am Bundesverfassungsgericht ist es im Bundestag zu Krach gekommen. Alle drei für den Freitag geplanten Richterwahlen wurden von der Tagesordnung genommen - mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und Linken.
Die Regierungsfraktionen Union und SPD sowie die Fraktion der Grünen hatten dies zuvor beantragt, wie Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb (SPD) mitteilte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, sagte im Bundestag:
Es ist kein guter Tag für die Demokratie in diesem Land.
Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD
Am Freitagmorgen hatte die Union vom Koalitionspartner SPD die Absetzung der heute geplanten Wahl von deren Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung des Bundestages verlangt. Andernfalls werde sich die Union beim Wahlgang zu der in der CDU/CSU besonders umstrittenen Brosius-Gersdorf enthalten.
Das berichtete ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Andrea Maurer unter Berufung auf Teilnehmer einer Sondersitzung der Unionsfraktion vor den für heute geplanten Wahlen. Kanzler Friedrich Merz und CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn hätten dies der SPD-Fraktion mitgeteilt, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Morgen aus Unionskreisen.
"Es ging wohl auch darum, dass 30 bis 50 Abgeordnete in der Unionsfraktion nicht für Frauke Brosius-Gersdorf stimmen wollten", berichtet ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Andrea Maurer aus dem Bundestag. "Das Ganze ist jetzt ein Schaden für die Koalition, auch für das Parlament und für das Bundesverfassungsgericht, der von der Opposition auch sehr deutlich angesprochen wird."
Es sei Jens Spahn "offenbar nicht gelungen, eine Mehrheit hinter dem Vorschlag zu organisieren, den der Wahlausschuss am Montag mit einer Zweidrittelmehrheit dem Bundestag vorgeschlagen hat", so Maurer weiter. Die Wahl werde nun möglicherweise auf einen Termin nach der Sommerpause vertagt. Die Grünen würden jedoch darauf bestehen, "dass diese drei Kandidaten weiter zur Wahl stehen, weil der Wahlausschuss sie eben vorgeschlagen hat", sagt Maurer. "Möglicherweise ist das Problem, was wir hier heute sehen, also erstmal nur vertagt."
Es sei Jens Spahn "offenbar nicht gelungen, eine Mehrheit hinter dem Vorschlag zu organisieren, den der Wahlausschuss am Montag mit einer Zweidrittelmehrheit dem Bundestag vorgeschlagen hat", so Maurer weiter. Die Wahl werde nun möglicherweise auf einen Termin nach der Sommerpause vertagt. Die Grünen würden jedoch darauf bestehen, "dass diese drei Kandidaten weiter zur Wahl stehen, weil der Wahlausschuss sie eben vorgeschlagen hat", sagt Maurer. "Möglicherweise ist das Problem, was wir hier heute sehen, also erstmal nur vertagt."
Bundestagssitzung zwischenzeitlich unterbrochen
Die Bundestagssitzung war daraufhin am Vormittag zwischenzeitlich unterbrochen. Eigentlich war für 10.10 Uhr die Wahl des von der Union nominierten Kandidaten Günter Spinner geplant. SPD und Grüne luden daraufhin zu Sonderfraktionssitzungen ein.
Als Begründung für die Verschiebung der Wahl würden Plagiatsvorwürfe gegen die von der SPD nominierte Professorin Frauke Brosius-Gersdorf angebracht, hieß es weiter aus Unionskreisen. Diese Vorwürfe müssten zunächst aufgeklärt werden.
Haßelmann: "Desaster für das Parlament"
Während der Sitzungsunterbrechung wurden die Grünen deutlich. Vor der Presse sagte die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann:
Das ist ein Vorgang, den wir im Deutschen Bundestag zur Wahl von Richterinnen und Richtern zum Bundesverfassungsgericht noch nie erlebt haben.
Britta Haßelmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende
Dafür trage allen voran der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn die Verantwortung. Es sei auch sein Vorschlag gewesen, die drei Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen.
"Dieser Tag heute ist ein Desaster für das Parlament, ist vor allen Dingen ein Desaster für Jens Spahn und Friedrich Merz und mit ihnen die Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und SPD", so Haßelmann. Sie warf Spahn "mangelnde Ernsthaftigkeit" und "Dilettantismus" vor und bezweifelte dessen Eignung für den Fraktionsvorsitz.
Bundestag wählt drei neue Verfassungsrichter
Die Unions-Fraktion hatte für die drei vakant werdenden Stellen in Karlsruhe den Arbeitsrichter Günter Spinner nominiert, die SPD die Professorinnen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold.
Für die geheime Wahl im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten nötig. Union, SPD und Grüne fehlen bei voller Besetzung des Bundestages sieben Stimmen zur Zweidrittelmehrheit. Am Freitag sollte im Parlament eigentlich zunächst über Spinner, dann über die beiden anderen Kandidatinnen abgestimmt werden.
Quelle: Reuters, dpa, AFP, ZDF
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