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Bundesverwaltungsgericht:Prozess um Verbot von "Compact-Magazin" startet
von Leon Fried
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Das Verbot des rechtsextremistischen Mediums "Compact" durch die ehemalige Innenministerin war im Eilverfahren vorläufig ausgesetzt worden. Jetzt beginnt das Hauptsacheverfahren.
Vom Verbot seiner Zeitschrift erfuhr der Chefredakteur seinerzeit im Bademantel. Früh am Morgen des 16. Juli 2024 klingelten teils maskierte Polizeikräfte im brandenburgischen Falkensee an der Tür von Jürgen Elsässers Wohnhaus, durchsuchten hier und andernorts Wohn- und Büroräume und beschlagnahmten Hefte des sogenannten "Compact-Magazins".
Das von Elsässer im Jahr 2010 mitgegründete Medium gilt als zentrales Sprachrohr der neurechten Szene. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird es seit dem Jahr 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Unter anderem wegen solcher Zitate:
Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen […]. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.
Homepage der "COMPACT-Magazin GmbH", 13. Juni 2023
Gutachten attestiert "völkisch-nationalistisches" Gesellschaftskonzept
Ein internes Gutachten des Bundesinnenministeriums erkennt in den Publikationen des "Compact"-Verlages ein "völkisch-nationalistisches" Gesellschaftskonzept. Dem heutigen Bundestagsvizepräsidenten Omid Nouripour (Grüne) spreche Jürgen Elsässer in einem Online-Video aufgrund ethnischer Merkmale das Deutschsein ab.
Die Experten des Innenministeriums nennen außerdem Belege für antisemitische Inhalte. In einem Online-Artikel werde etwa eine jüdische Gemeinschaft dafür verantwortlich gemacht, den Ukraine-Krieg auf beiden Seiten zu eskalieren.
Dieses Magazin hetzt und agitiert auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.
Nancy Faeser (SPD), ehem. Bundesinnenministerin, 16. Juli 2024
Faeser verbietet "Compact" durch Vereinsverbot
Um das "Compact-Magazin" an jenem 16. Juli aus dem Verkehr zu ziehen, bediente sich die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) des Instruments des Vereinsverbots. Mit einer Verbotsverfügung wurden zwei Gesellschaften aufgelöst, die das "Compact-Magazin" und die dazugehörigen Online-Kanäle betreiben. Ein juristischer Kniff, den einige Rechtsexperten kritisch sehen.
David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte betont, dass die Pressegesetze, für die die Länder zuständig sind, keine Rechtsgrundlage für Zeitungsverbote vorsähen. Dass sich das Bundesinnenministerium des Bundesvereinsgesetzes bediene, um ein Medienunternehmen zu verbieten, sei ein durchaus fragwürdiger juristischer Trick.
Anhaltspunkte für unverhältnismäßigen Eingriff in Pressefreiheit
Ein Eilantrag des "Compact"-Verlages gegen die Verbotsverfügung hat aber aus einem anderen Grund Erfolg: Das Bundesverwaltungsgericht sieht Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit. Zwar ließen einzelne Äußerungen in Publikationen von "Compact" Anhaltspunkte für die Verletzung der Menschenwürde erkennen. Auch die obersten Verwaltungsrichter identifizieren in den von "Compact" veröffentlichten Artikeln insofern eine verfassungsfeindliche Haltung.
Um die Grundrechte des "Compact"-Verlags nicht übermäßig zu beeinträchtigen, könnten statt eines Totalverbots allerdings mildere Mittel zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung anzuwenden sein. Das Bundesverwaltungsgericht nennt beispielhaft presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen.
Gericht prüft Verfassungsfeindlichkeit von "Compact"
Am 14. August 2024 setzt das Bundesverwaltungsgericht die Verbotsverfügung der damaligen Innenministerin daher vorläufig aus. Endgültig wird das Gericht über die Zukunft des "Compact-Magazins" im Anschluss an das bevorstehende Hauptsacheverfahren entscheiden.
In der Verhandlung wird sich der 6. Gerichtssenat ausgiebig mit den Inhalten der "Compact"-Publikationen auseinandersetzen. Dabei werden die Richter die Frage beantworten müssen, ob verfassungsfeindliche Passagen für die Ausrichtung des Verlags insgesamt prägend sind.
Chefredakteur nutzt Prozess für Marketing
Chefredakteur Jürgen Elsässer weiß sich den bevorstehenden Prozess schon jetzt für Marketingzwecke nutzbar zu machen. In der aktuellen "Compact"-Ausgabe lädt er seine Leser in Anspielung auf seine Bekleidung während der Polizeirazzien im vergangenen Juli zur "Bademantel-Party" aus Anlass des Prozessbeginns ein.
Leon Fried arbeitet in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.
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