Seltene Einigkeit: Merz stellt sich hinter Außenminister Wadephul

Analyse

Wadephul unter Druck:Merz stellt sich hinter seinen Außenminister

Andrea Maurer
von Andrea Maurer
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Zuletzt schien die Außenpolitik nicht immer "aus einem Guss". Nun stellt sich Kanzler Merz hinter Außenminister Wadephul – was auch zeigen könnte, wie sehr der unter Druck steht.

Boris Pistorius, Johann Wadephul und Friedrich Merz in der 12. Sitzung des 21. Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin
Vor dem NATO-Gipfel in Den Haag hat Bundeskanzler Merz im Bundestag eine Regierungserklärung abgegeben. Deutschland sei zurück auf der europäischen und internationalen Bühne. 24.06.2025 | 2:23 min
Mehrmals spricht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in den 25 Minuten seiner Rede von "einer neuen Realität", der sich Deutschland außen- und innenpolitisch stellen müsse. Da ist der Krieg in der Ukraine, die militärische Auseinandersetzung zwischen Iran und Israel, das angestrebte Fünf-Prozent-Ziel der Nato. Bis spät in die Nacht soll Merz an seiner Rede gefeilt haben. Und er findet deutliche Worte.
Friedrich Merz bei Regierungserklärung im Bundestag
"Wir dürfen uns nie an Kriegsgräuel gewöhnen", sagt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Bundestag. Sehen Sie seine Regierungserklärung hier in voller Länge.24.06.2025 | 27:42 min

Merz mit klarer Botschaft an Russland, Iran und Israel

In Richtung Putin: Der verstehe nur "die Sprache der Stärke" und darum heiße "Friedensarbeit jetzt auch in dieser Sprache zu sprechen." In Richtung Iran, dem er Täuschung bei seinem Atomprogramm vorwirft:

Wir hoffen heute, dass das Vorgehen Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Tagen den Iran dauerhaft davon abbringt, seinem zerstörerischen Ziel noch näher zu kommen.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Aber auch in Richtung Israel, dessen Existenzrecht er als deutsche Staatsräson bekräftigt, zugleich aber für den Gazastreifen einen Waffenstillstand fordert "Wir erlauben uns, kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will, und wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an."
Schaefers
Beim zweitägigen Nato-Treffen in Den Haag geht es vor allem um die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 5% des BIP. Isabelle Schaefers berichtet über die Stimmung.24.06.2025 | 1:33 min

Kanzler dankt Außenminister Wadephul

Der Mann, der vor allem Außenkanzler sein will, ist offenbar in seinem Element. Dass zuletzt die Außenpolitik seine Regierung nicht ganz "aus einem Guss" erschien, wie noch bei Amtsantritt versprochen, weiß Merz allerdings auch. Und so kommt er nach etwa 10 Minuten seiner Rede zu einem bemerkenswerten Dank an seinen Außenminister Johann Wadephul:
"Besonders herzlich" danke er ihm für "seine intensiven diplomatischen Bemühungen in den letzten Tagen und Wochen zusammen vor allem und immer wieder mit den Außenministern Frankreichs und des Vereinigten Königreichs."
Präsident Donald Trump beantwortet am 24. Juni 2025 auf dem Südrasen des Weißen Hauses in Washington, D.C., USA, Fragen der Presse. US-Präsident Donald Trump, der am Montag bekannt gab, dass Israel und der Iran eine formelle Vereinbarung zur Umsetzung eines vollständigen Waffenstillstands getroffen hätten, kritisierte beide Seiten für den Bruch des Waffenstillstands und forderte Israel zur Zurückhaltung auf.
US-Präsident Trump hat eine Waffenruhe zwischen Israel und Iran verkündet. Nach zwischenzeitlichen neuen Angriffen beider Seiten scheint sie nun zu halten.24.06.2025 | 1:45 min

Wadephul wegen Iran-Fehleinschätzung unter Druck

In den letzten Tagen und Wochen war Wadephul zunehmend unter Druck geraten, auch innerhalb der Union. Durch Fehleinschätzungen zur Eskalation in Nahost ("Ich glaube, die USA werden sich nicht in diesen Krieg einmischen"), die er einräumen musste - oder durch eine Abkehr von einer bedingungslosen Israel-Solidarität ("Zwangs-Solidarität").
Immer lauter wurde die Frage, ob die beiden sich eigentlich koordinieren und absprechen. Während Wadephul am Sonntag bei "Berlin direkt" davon sprach, dass es "bedauerlicherweise" den US-Angriff auf Irans Atomanlagen gegeben habe, sagte Merz am Montag, dass er keinen Grund sehe, Israel und die USA zu kritisieren. Auch in den Unions-Gremien war über Wadephul geredet worden.
Heute im Parlament macht der Kanzler nun klar: Der Mann, der auf seinen Wunsch hin Außenminister geworden ist und bis dahin immer in der zweiten Reihe war, hat seinen ausdrücklichen Rückhalt. Offenbar ist diese Verteidigung notwendig.
Johann Wadephul
Er glaube, die USA würden sich in den Krieg in Iran nicht einmischen, hatte Außenminister Wadephul noch am Mittwoch gesagt. Nun räumt er im ZDF ein, falsch gelegen zu haben. 22.06.2025 | 6:32 min

SPD fordert mehr Wadephul-Diplomatie

Auch der Fraktionschef des Koalitionspartners SPD, Matthias Miersch, stellt sich demonstrativ hinter Johann Wadephul: "In diesen Zeiten führt kein Weg an Diplomatie vorbei. Jeder Versuch ist es wert, jedes Gespräch nicht umsonst." Er beklagt, dass der Außenminister für seine Bemühungen um Diplomatie "teilweise belächelt" worden sei.
Man könnte darin allerdings auch einen leicht vergifteten Dank sehen, denn dieser Dank setzt Wadephul nochmal von Merz ab, der sich zuletzt deutlich undiplomatischer gezeigt hatte - Stichwort: Israel mache "die Drecksarbeit." Es ist ein Dank, mit klarer SPD-Erwartungshaltung: Bitte mehr Wadephul-Diplomatie.
Matthias Miersch (SPD)
Es führt kein Weg an Diplomatie vorbei, sagt SPD-Fraktionschef Matthias Miersch im Bundestag.24.06.2025 | 4:26 min

Grüne fordern Einigkeit von Bundesregierung

Die grüne Fraktionschefin Britta Haßelmann legt in ihrer Rede im Anschluss nochmal den Finger in die Wunde:

Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie mit einer Stimme spricht.

Britta Haßelmann, Grünen-Fraktionschefin

"Für niemandem war doch übersehbar, die Differenzen, die Dissense, die unterschiedlichen Einschätzungen und Erklärungen innerhalb der Bundesregierung, zwischen Bundeskanzler, Außenminister, zwischen den Koalitionspartnern. Und das ist fatal in einer so schwierigen Lage", so Haßelmann.
Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen)
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann spricht sich für eine Waffenruhe im Nahen Osten aus, "um alle Parteien zurück an den Verhandlungstisch zu bringen".24.06.2025 | 8:52 min

Gemeinsame Reise zum Nato-Gipfel nach Den Haag

Johann Wadephul, der Mann, der wohl gerade das am meisten beäugte Ministeramt in der Regierung Merz hat, läuft während der Reden freundlich durchs Plenum und zieht sich zu Einzelgesprächen zurück. Nach der Plenarsitzung reist der Außenminister zusammen mit dem Verteidigungsminister und dem Außenkanzler zum Nato-Gipfel nach Den Haag.
Die ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers im Schaltgespräch mit der heute
Bundeskanzler Merz befürwortet den Plan, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen. Nun ist er beim NATO-Gipfel in Den Haag eingetroffen. Isabelle Schaefers berichtet.24.06.2025 | 1:16 min
Eine gemeinsame Reise zu einem "historischen Gipfel", wie ihn Friedrich Merz schon vorab nennt - vielleicht kommen sie mit mehr außenpolitischem "Guss" zurück.
Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

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