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Spitzenplatz im Politbarometer:Was Pistorius von Weidel unterscheidet
von Michael Starke
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Seit 15 Monaten steht Verteidigungsminister Pistorius im ZDF-Politbarometer an der Spitze der Top Ten. Wie macht er das? Und was unterscheidet ihn von "Schlusslicht" Alice Weidel?
Boris Pistorius hatten vor seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister im Januar 2023 wohl die wenigsten Menschen in Deutschland auf dem Zettel. Und doch gelang dem SPD-Politiker und früheren Innenminister von Niedersachsen mit dem Wechsel in die Bundespolitik ein echtes Kunststück:
Ohne vorher überhaupt im Ranking vertreten gewesen zu sein, schaffte er im Februar 2023 direkt den Sprung auf Platz eins der zehn wichtigsten Politiker und Politikerinnen in Deutschland. Dort ist auch Alice Weidel (AfD) regelmäßig vertreten - und das, obwohl ihre Beliebtheitswerte notorisch schlecht sind. Wie kommt das?
Politiker-Ranking entsteht in zwei Stufen
Wichtig dabei zu wissen: Die Politbarometer-Top-Ten im ZDF entsteht durch ein zweistufiges Verfahren - also zwei getrennte Befragungen der Forschungsgruppe Wahlen.
In einem ersten Schritt wollen die Meinungsforscher von den Befragten wissen, wen sie zurzeit für die wichtigsten Politiker und Politikerinnen in Deutschland halten. Dabei werden keine Namen vorgeben.
Die zehn in diesen Rückmeldungen am häufigsten genannten Namen bewerten andere Umfrageteilnehmer später in einer zweiten Befragung - nach Sympathie und Leistung. Das geschieht auf einer Skala von +5 bis -5. Aus allen Bewertungen wird dann ein Durchschnittswert ermittelt.
Pistorius seit Februar 2023 durchgehend an der Spitze
Seit seinem kometenhaften Einstieg in die Top Ten konnte niemand Boris Pistorius die "Pole Position" streitig machen. Im Gegenteil: Der 64-Jährige konnte sich noch deutlicher von der Konkurrenz absetzen. Im April 2024 ist der Verteidigungsminister sogar der einzige Politiker mit einer positiven Top-Ten-Bewertung.
ZDF-Politbarometer vom 26.04.2024: Bewertung der zehn wichtigsten Politiker
Quelle: ZDF
Das ist umso beachtlicher, als dass die Ampel-Koalition in einer Umfrageflaute steckt. In der Sonntagsfrage - "Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre?" - kann das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP seit Längerem keine Mehrheit mehr erzielen.
Hinzu kommt: Auch die Arbeit der Bundesregierung insgesamt wird von den Befragten im ZDF-Politbarometer größtenteils negativ bewertet:
ZDF-Politbarometer vom 26.04.2024: Bewertung der Arbeit der Bundesregierung
Quelle: ZDF
Vorteil für Verteidigungsminister: Krisen und Kriege
Doch auf Pistorius scheint das nicht abzufärben. Woran liegt das? Ein wesentlicher Grund: die aktuelle Weltlage, vor allem der Krieg in der Ukraine.
Welchen Stellenwert das Thema Verteidigung mittlerweile genießt, zeigt ein Blick ins Politbarometer vom 12. April 2024. Darin befürwortete mit 70 Prozent eine klare Mehrheit, die Bundeswehr finanziell besser auszustatten - auch, wenn dadurch in anderen Bereichen eingespart werden muss. Lediglich 23 Prozent sprechen sich dagegen aus.
ZDF-Politbarometer vom 12.04.2024: Mehr Geld für die Bundeswehr?
Quelle: ZDF
Der russische Angriff auf die Ukraine hat allerdings auch die Amtszeit von Pistorius’ Amtsvorgängerin Christine Lambrecht (SPD) geprägt. Der Krieg allein greift damit als Erklärung für seine guten Werte wohl zu kurz - auch wenn der direkte Vergleich mit Lambrecht Pistorius sicherlich nützt angesichts vieler Negativ-Schlagzeilen seiner Vorgängerin.
Pistorius über Parteigrenzen hinweg geschätzt
Was Pistorius im Gegensatz zu Lambrecht aber gelingt, ist über das Ampel-Lager hinaus zu punkten, so Andrea Wolf von der Forschungsgruppe Wahlen: "Pistorius hat es geschafft, dass er über die Parteigrenzen hinweg sehr hohes Ansehen genießt."
Nur wenn man nicht nur von den eigenen Parteianhängern positive Noten erhält, sondern eben auch von den Anhängern der anderen Parteien, schafft man es so positive Werte zu erhalten, wie Pistorius sie im Moment hat.
Andrea Wolf, Forschungsgruppe Wahlen
Sogar bei Befragten, die die Partei Die Linke oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) favorisieren, erhält Pistorius knapp positive Werte (+0,2 bzw. + 0,1). Einzig bei AfD-Anhängern fährt der Verteidigungsminister einen negativen Wert ein.
"Schlusslicht" Weidel: Bekannt, aber wenig beliebt
Ganz anders ist das Bild bei der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel. Sie steht - auch das durchgehend seit Mai 2023 - auf dem letzten Platz der Top-Ten-Liste; ihre Beliebtheitswerte tief im Minus-Bereich. Denn sie polarisiert bei den Befragten.
Das zeigt ein Blick auf ihre Zahlen im ZDF-Politbarometer. Insgesamt kommt Weidel auf einen Wert von -2,8. Nur von Anhängern ihrer Partei bekommt sie Zuspruch und einen positiven Wert (+3,2).
Bei Anhängern anderer Parteien fällt sie klar durch, besonders deutlich bei Grünen und Linkspartei (jeweils -4,4). Nach Einschätzung des Politikanalysten Johannes Hillje liege das unter anderem daran, dass Pistorius und Weidel zwei völlig unterschiedliche Politikertypen seien.
Der eine ist populär, die andere ist populistisch. Und zwischen populär und populistisch liegt häufig ein sehr großer Unterschied. Und zwar, dass der Populäre für etwas steht und der Populist sich vor allem gegen etwas positioniert.
Johannes Hillje, Politikanalyst
Durch die zweistufige Erhebung der Top Ten ist das Weidel-Ergebnis im Politbarometer kein Widerspruch: Die AfD-Parteivorsitzende kann von ihrer Bekanntheit profitieren - und gleichzeitig unter den ersten zehn die Unbeliebteste sein.
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