Söder im ZDF-Sommerinterview: Seine Aussagen unter der Lupe

Faktencheck

CSU-Chef im Sommerinterview:Bürgergeld und Co.: Söders Aussagen unter der Lupe

von P. Aumeier, K. Belousova, A. Feil, C. Greipl. N. Leifert
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Markus Söder äußert sich im ZDF unter anderem zu Migration, Mütterrente, Bürgergeld, dem CSU-Wahlergebnis und zum Länderfinanzausgleich. Was stimmt? Und wo braucht es Kontext?

Berlin direkt - Sommerinterview 2025: Markus Söder
Sehen Sie hier das ZDF-Sommerinterview mit CSU-Chef Söder in voller Länge.03.08.2025 | 20:53 min
Im ZDF-Sommerinterview mit CSU-Chef Markus Söder ging es am Sonntag unter anderem um die Themen Bürgergeld, Mütterrente und Migration. Mit welchen Aussagen hatte der Ministerpräsident aus Bayern recht, welche sind ungenau? Und wo bedarf es Kontext? Ein Blick auf einige Aussagen:

In den "Berlin direkt - Sommerinterviews" kommen neben dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler die Vorsitzenden der im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien zu Wort. Die Aussagen der Befragten werden von einem ZDF-Team überprüft und Zusammenhänge nachrecherchiert. Zu jedem Sommerinterview veröffentlichen wir im Anschluss auch einen Faktencheck-Artikel, unabhängig davon, ob in dem Gespräch Falschaussagen oder unzutreffende Tatsachenbehauptungen geäußert wurden.

CSU mit dem besten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl?

CSU-Chef Markus Söder behauptete zu Beginn des Interviews:

Erst einmal hat die CSU das beste Wahlergebnis erzielt aller Parteien in Deutschland bei der Wahl.

Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Diese Aussage stimmt nur bedingt, nämlich rein auf Bayern bezogen, aber nicht auf Deutschland. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 erzielte die CSU auf Grundlage des amtlichen Endergebnisses bundesweit 6,0 Prozent der Zweitstimmen. Die CDU kam auf 22,6 Prozent, so dass die Union insgesamt 28,6 Prozent erreichte. Die AfD wurde zweitstärkste Partei mit 20,8 Prozent, gefolgt von der SPD mit 16,4 Prozent, den Grünen mit 11,6 Prozent, und der Linken mit 8,8 Prozent.
Die CSU war nicht Wahlsieger, sondern Teil der siegreichen Union. Das Ergebnis der Union, bestehend aus CDU und CSU, war das zweitschlechteste Wahlergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949, nur 2021 lag sie noch darunter.
Auf Bayern bezogen - dem einzigen Bundesland, in dem die CSU antritt - wäre Söders Aussage richtig gewesen. Dort war die CSU mit 37,2 Prozent stärkste Kraft.
Stefan Leifert
Im aktuellen ZDF-Politbarometer schätzt die Mehrheit der Befragten sowohl das Verhältnis zwischen Union und SPD als auch die Arbeit der Bundesregierung negativ ein.25.07.2025 | 2:05 min

Weniger Beschäftigung von Ukrainern wegen Bürgergeld?

Berlin direkt - Sommerinterview 2025: Markus Söder
Gegen Steuererhöhungen und für "eine komplette Veränderung des Bürgergelds" spricht sich CSU-Chef Söder aus. Flüchtlinge aus der Ukraine sollten demnach künftig kein Bürgergeld mehr bekommen.03.08.2025 | 0:51 min
Kritik übte der CSU-Chef am Bürgergeld für Menschen aus der Ukraine. Es müsse - so Söder - dafür gesorgt werden, "dass Ukrainer nicht mehr im Bürgergeld sind". Und schlussfolgerte:

Deswegen sind bei uns auch so wenige Menschen aus der Ukraine in Arbeit, obwohl sie gute Ausbildungen haben.

Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Diese Aussage braucht Kontext: Die Beschäftigungsquote von Menschen aus der Ukraine lag im Mai 2025 bei 34,9 Prozent - und steigt kontinuierlich. Ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit kam Ende 2024 zu dem Ergebnis, dass Deutschland bei der Erwerbsquote von Menschen aus der Ukraine im europäischen Mittelfeld liegt.
Dort heißt es auch: "Soziale Transferleistungen, gemessen an dem Anteil der durchschnittlichen Ausgaben je Geflüchteten am BIP pro Kopf, haben nur einen kleinen und statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die Beschäftigungsquote ukrainischer Geflüchteter." Das widerspricht Söders Schlussfolgerung.
Lena Loza, Ukrainerin
Rund 1,2 Millionen ukrainische Geflüchtete leben in Deutschland, darunter hoch qualifizierte Fachkräfte.10.12.2024 | 8:05 min
Fachleute sehen vor allem andere Hürden bei der Arbeitsmarktintegration von Ukrainerinnen und Ukrainern:
  • Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist in Deutschland schwierig.
  • Das Erlernen der deutschen Sprache braucht Zeit.
  • Frauen mit minderjährigen Kindern machen einen entscheidenden Anteil der Geflüchteten aus der Ukraine aus - sie haben es grundsätzlich schwerer, sich in ausländische Arbeitsmärkte zu integrieren, unter anderem wegen mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
  • Deutschland hatte sich bei der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter zunächst das arbeitsmarktpolitische Ziel gesetzt, die Menschen nachhaltig und entsprechend ihren Abschlüssen auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies erfordert mehr Mühe als etwa die Strategie, Menschen überwiegend im Niedriglohnsektor zu beschäftigen.
Mehr dazu lesen Sie hier:

Niedrige Renten für Frauen in Bayern?

Angesprochen auf die Mütterrente, zeigte sich Markus Söder verärgert: "Ich finde es schäbig, dass so viele Leute mit höchsten Pensionen und Einkommen über normale Leute, die ihr Leben lang ordentlich gearbeitet haben, so reden."

Bayern hat bei den Frauen die zweitniedrigsten Renten.

Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Diese Aussage stimmt: Aus dem aktuellen Rentenatlas geht hervor, dass die Altersrente für Frauen bundesweit im Durchschnitt bei 1.394 Euro pro Monat liegt. In Bayern ist sie mit 1.346 Euro besonders niedrig. Nur in Niedersachsen erhalten Frauen noch weniger.
Diese Zahlen geben die Höhe der Altersrente nach 35 Versicherungsjahren an. Doch viele Menschen kommen gar nicht auf eine so lange Versicherungszeit - insbesondere Frauen, die wegen Kindererziehung längere Zeit aus dem Job ausscheiden und die von der Mütterrente profitieren sollen. Bezieht man alle bayerischen Rentnerinnen unabhängig von Versicherungsjahren ein, ergibt sich eine durchschnittliche Rentenhöhe von gerade einmal 869 Euro.
Handyfoto von Töchtern
Mehr Rente für Mütter: Was zunächst gut klingt, könnte die Rentenkasse noch mehr belasten.11.02.2025 | 9:09 min

Weniger Migration wegen Bezahlkarte?

Söder, der als CSU-Chef in der schwarz-roten Koalition im Bund mitregiert, reklamierte einen "Richtungswechsel bei der Migration, der jetzt eingeleitet" worden sei. Er betonte dabei den Erfolg der bayerischen Migrationspolitik: "Wir haben jetzt hier in Bayern den Zugang im ersten Halbjahr halbiert."

Wir haben die höchste Zahl an freiwilligen Ausreisen im letzten Jahr seit zehn Jahren. Warum? Weil wir als einzige die Bezahlkarte - eine strenge - haben.

Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Die Halbierung stimmt. Die Zahl der Asylbewerber in Bayern ist im ersten Halbjahr 2025 um 57 Prozent gesunken (1. Halbjahr 2025: 6.760 neue Asylbewerber im Vergleich zum 1. Halbjahr 2024: 15.744). Die bayerische Landesregierung ergänzt, dass die Zahl der freiwilligen Ausreisen gestiegen sei.
Doch Söders Begründung mit der Bezahlkarte ignoriert die vergleichbare Wirkung in anderen Bundesländern, die die Bezahlkarte bisher nur eingeschränkt einsetzen. Die Bundesländer hatten sich 2023 auf die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete verständigt, aber sie ist längst nicht in allen Kommunen verfügbar. Ihre Wirkung kann daher noch nicht eindeutig zugeordnet werden.
Wulf Schmiese und Markus Söder sitzen sich gegenüber und sind im Gespräch
Der CSU-Chef schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD weiter aus und warnt vor wachsendem Rechtsextremismus. Auch die AfD-Beobachtung müsse ausgeweitet werden. 03.08.2025 | 1:32 min
Insgesamt ist die Zahl irregulärer Grenzübertritte in ganz Deutschland rückläufig - und das bereits seit 2024. Ein Rückgang, den schon die Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz für sich reklamierte.
Die Leiterin des Zentrums für Migration bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Victoria Rietig, erklärt: "Die globalen Veränderungen spielen vermutlich eine größere Rolle im Rückgang der Asylbewerberzahlen als Deutschlands Grenzkontrollen - auch wenn diese natürlich ebenfalls zum Rückgang beitragen. Das Fallen der Zahlen ist daher ein längerfristiger Trend, den wir bereits seit Monaten sehen."
Bezahlkarte
Zahlreiche Städte in NRW lehnen die Bezahlkarte für Flüchtlinge ab. Sie fürchten hohen bürokratischen Aufwand. Das Land unterstützt die Karte, überlässt die Entscheidung aber den Kommunen.30.05.2025 | 1:58 min

Was hat der Länderfinanzausgleich mit Projekten von Schwarz-Rot zu tun?

Söder verwies im Zusammenhang mit geplanten schwarz-roten Reformen bei Mütterrente und Pendlerpauschale sowie Steuersenkungen für Gastronomie und Strom auf Bayerns hohe Zahlungen in den Länderfinanzausgleich.

Wir zahlen jetzt im ersten Halbjahr schon sechs Milliarden. Eine Rekordzahl, wie kein anderer. Das heißt, der Freistaat Bayern blecht, blecht, blecht. Und keiner sagt 'danke'.

Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Tatsächlich zahlte Bayern im ersten Halbjahr 2025 rund 6,7 Milliarden Euro ein - mehr als jedes andere Bundesland. Auch von Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg kommt Geld. Die übrigen Länder profitieren - zum Ärger der Geberländer.
Der Länderfinanzausgleich wurde eingeführt, um finanzielle Mittel für landespolitische Aufgaben wie Bildung, Polizei und Gesundheit gleichmäßig zu verteilen und für ähnliche Lebensverhältnisse in jedem Bundesland zu sorgen.
Ohne den Ausgleich würde Bayern Milliarden einsparen und hätte mehr Spielraum für landesseigene Aufgaben. Allerdings hat der Länderhaushalt mit den geplanten Entlastungen der Bundesregierung wenig zu tun. Mütterrente und Stromsteuer sind reine Bundesangelegenheiten. Bei einer Senkung der Gastrosteuer und Erhöhung der Pendlerpauschale würden sowohl Bund als auch Ländern Einnahmen aus der Umsatz- bzw. Einkommensteuer entgehen.
Zwischen dem von Söder angeführten Länderfinanzausgleich und der Finanzierung der angesprochenen Maßnahmen besteht inhaltlich kein direkter Zusammenhang. Ein Wegfall der Regelung würde nicht automatisch neue Mittel für Entlastungen freisetzen.
Drehstromzähler
Entgegen ihrem Versprechen im Koalitionsvertrag hat sich die schwarz-rote Bundesregierung zunächst gegen die Senkung der Strompreise für Privatleute ausgesprochen. 03.07.2025 | 3:20 min

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