Merz macht massiven Druck auf Israel

Nach Gaza-Erklärung:Merz macht massiven Druck auf Israel

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Das Leid in Gaza ist groß. Da sind sich alle einig. Doch wie reagieren? Kanzler Merz findet harte Worte in Richtung Israel, eine neue Erklärung will er aber nicht unterzeichnen.

Kinder bei Ausgabe von Nahrungsmitteln in Gaza
Israelische Angriffe auf den Gazastreifen zwingen Tausende zur Flucht. Die humanitäre Lage bleibt katastrophal. Fast 30 Länder fordern ein sofortiges Kriegsende, Deutschland fehlt.22.07.2025 | 1:37 min
Die Bundesregierung ist nach Darstellung von Kanzler Friedrich Merz "vollkommen einig" in der Politik zu Israel und dem Gazastreifen. "Deswegen gibt es weder in der Sache noch im Verfahren hier irgendwelche Meinungsverschiedenheiten", sagte der CDU-Vorsitzende in Berlin.

Ich will die israelische Regierung jetzt wirklich mit großem Nachdruck auffordern, die massiven militärischen Interventionen zu stoppen, einen Waffenstillstand zu ermöglichen und vor allem die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung dort zu ermöglichen.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Crowds form as Palestinians, including children, line up in Gaza City
Die israelische Armee intensiviert ihre Angriffe im Zentrum des Gazastreifens - auch auf WHO-Standorte. 28 Außenminister und die EU-Kommission fordern ein sofortiges Kriegsende.22.07.2025 | 1:31 min

ZDF-Korrespondentin: "Ungewöhnlich deutliche Worte"

"Direkt aus dem Bundeskanzleramt fand Merz ungewöhnlich deutliche Worte", sagt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann. "In den vergangenen Wochen war die Kritik der deutschen Regierung an Israels Vorgehen in Gaza immer deutlicher geworden. Dennoch hat Deutschland die Erklärung der inzwischen 29 Unterzeichner, darunter Kanada, Großbritannien, Japan und viele europäische Staaten, die einen sofortigen Waffenstillstand fordern, nicht unterschrieben."
SGS Goekdemir - Zimmermann
Bundeskanzler Friedrich Merz sei in Bezug auf die Situation in Gaza sehr deutlich geworden, sagt Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin. 23.07.2025 | 3:09 min
Merz und Wadephul hätten weiter auf bilaterale Gespräche mit ihren israelischen Amtskollegen gesetzt, so Zimmermann.

Wadephul telefonierte gestern mit Außenminister Saar, Merz am Freitag mit Benjamin Netanjahu. Bisher haben weder gemeinsame Erklärungen noch diplomatischer Dialog diesen zum Einlenken gebracht.

Diana Zimmermann, ZDF-Korrespondentin

"Netanjahu muss fürchten, dass seine Koalition auseinanderbricht und nimmt kaum Rücksicht auf internationale Stimmen. Selbst die Einflussmöglichkeiten seines engsten Verbündeten, Donald Trump, sind deutlich begrenzt", so Zimmermann weiter. "Trump war etwa über die Bombardierungen in Syrien, die Israel vergangene Woche durchführte, nicht einmal vorab informiert gewesen."
 Diana Zimmermann und Luc Walpot im chaltgespräch mit der heute
Etliche Außenminister haben nach weiteren Angriffen der israelischen Armee ein sofortiges Kriegsende in Gaza gefordert – Deutschland nicht. Luc Walpot und Diana Zimmermann berichten.22.07.2025 | 2:29 min

Merz verweist auf bestehende Erklärungen

Merz reagierte mit seinen neuen deutlichen Aussagen auf die Aufforderung von Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) und des SPD-Fraktionschefs Matthias Miersch, dass die Bundesregierung sich der Initiative mehrerer Partnerstaaten anschließen sollte, die ein sofortiges Ende des Kriegs im Gazastreifen forderten.
Merz verwies darauf, dass es bereits eine gemeinsame Erklärung des letzten EU-Gipfels gebe, die "praktisch inhaltsgleich ist mit dem, was in dem Brief jetzt zum Ausdruck kommt". Er selbst habe diese Erklärung mit ausgehandelt.

Die Aufforderung an die israelische Regierung, diese massiven Bombardements des Gazastreifens sofort zu beenden und humanitäre Hilfe zu ermöglichen, sind gemeinsame Politik der Koalition in Berlin.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Im Übrigen gehe es nicht um eine EU-Initiative, sondern um eine von einigen Mitgliedsstaaten und einigen anderen Ländern wie Großbritannien.

SPD-Fraktion: Berlin darf nicht "ausscheren"

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte die Bundesregierung aufgefordert, eine gemeinsame Forderung von inzwischen 28 Staaten sowie der EU-Kommission nach einem sofortigen Ende des Kriegs im Gazastreifen ebenfalls zu unterstützen. Das klare Signal der Unterzeichner sei richtig, Deutschland solle sich der Initiative anschließen "und hier nicht ausscheren", sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch am Dienstag dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" ("RND").
Bundeskanzler Friedrich Merz ist vor einem zerstörten Gebäude in Gaza abgebildet.
28 Staaten und die EU-Kommission fordern von Israel ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges – Deutschland gehört nicht dazu. ZDFheute live zur Lage in Gaza und der Kritik der SPD an der Bundesregierung. 22.07.2025 | 23:27 min
Seine Fraktion veröffentlichte eine schriftliche Aufforderung an die Bundesregierung. Zunächst 25 Länder, darunter Großbritannien, Frankreich und Italien, hatten am Montag in einer gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Kriegsende im Gazastreifen gefordert. Am Dienstag schlossen sich drei weitere Länder sowie die EU-Kommission an. Das Leiden der Zivilbevölkerung in dem Palästinensergebiet habe "ein neues Ausmaß erreicht", hieß es in der Erklärung.

Wadephul: Katastrophale Lage

Die unterzeichnenden Länder forderten Israel auf, "seinen Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen" und die Beschränkungen bei den Hilfslieferungen in dem Gebiet "unverzüglich" aufzugeben. Deutschland gehört nicht zur Reihe der Unterzeichner. Außenminister Johann Wadephul (CDU) sprach aber am Montag mit seinem Amtskollegen Gideon Saar und brachte seine "größte Sorge über die katastrophale humanitäre Lage" im Gazastreifen zum Ausdruck.
Ein Panzer der israelischen Armee manövriert nahe der Grenze zwischen Israel und Gaza
Die UN werfen Israel die Tötung von Hilfesuchenden vor. Die WHO erhebt ebenfalls schwere Vorwürfe: Soldaten sollen ein Lager gestürmt und Familien in die Flucht getrieben haben.22.07.2025 | 1:31 min
Die deutsche Zurückhaltung stößt auf deutliche Kritik in der Fraktion der Regierungspartei SPD. Deutschland trage eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels und das Existenzrecht des jüdischen Staates, aber eben auch für die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung, sagte Fraktionschef Miersch dem "RND".
"Diese Verantwortung verpflichtet uns, auch in schwierigen Momenten auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu drängen, so wie wir es auch in anderen Konflikten tun", betonte er.

Doppelte Standards untergraben unsere internationale Glaubwürdigkeit.

Matthias Miersch, SPD-Fraktionschef

Erklärung von Mützenich und Ahmetovic

Am Nachmittag veröffentlichte die SPD-Fraktion im Onlinedienst X eine schriftliche Aufforderung an die Bundesregierung, die von den Abgeordneten Rolf Mützenich und Adis Ahmetovic initiiert wurde. "Die Berichte über verhungerte Kinder und eine rapide eskalierende Hungersnot zeigen: Wir haben den viel beschworenen 'point of no return' erreicht", hieß es darin.
"Als Fraktion schlagen wir weitere Maßnahmen vor", hieß es weiter. So wird die Bundesregierung dazu aufgerufen, "bestehende Kooperationen wie das Assoziierungsabkommen auf Eis" zu legen und den Export von Waffen zu stoppen, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden.

X-Post der SPD-Bundestagsfraktion

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Ahmetovic ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der ehemalige Fraktionschef Mützenich sitzt im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Aus der Bundesregierung unterstützte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan den Vorstoß der SPD-Fraktion.
"Ich hätte mir gewünscht, dass Deutschland sich dem Signal der 29 Partner anschließt", sagte sie der "Rheinischen Post". "Was gerade in Gaza passiert, ist unfassbar. Unschuldige Kinder sterben. Menschen hungern". Notwendig sei ein sofortiger und nachhaltiger Waffenstillstand.
Hunger in Gaza
Der Hunger ist für die Menschen in Gaza zum Überlebenskampf geworden. Laut UN leiden fast eine halbe Millionen Menschen an der schwersten Form von Hunger.21.07.2025 | 1:36 min

Widerspruch aus der Unionsfraktion

Widerspruch kam aus der Unionsfraktion. Deren außenpolitischer Sprecher Jürgen Hardt (CDU) verteidigte die Entscheidung der Bundesregierung, die gemeinsame Erklärung nicht zu unterzeichnen.
"Der Bundesaußenminister hat die Erklärung nicht unterschrieben, da sie die gefühlte Isolation der israelischen Regierung nur verstärkt", sagte Hardt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Es müsse aber "der israelischen Regierung ein Zeichen sein, wenn so viele Freunde, und dazu zähle ich die SPD, ihre Frustration über das Sterben in Gaza in Sanktionen ausdrücken wollen, weil sie in Jerusalem kein Gehör mehr finden", sagte Hardt.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nannte die deutsche Zurückhaltung in der Frage "eine außenpolitische Bankrotterklärung". Wenn Frankreich, Polen und andere EU-Staaten dabei seien, habe sich die Bundesregierung "in Europa auch noch außenpolitisch isoliert", sagte Wagenknecht. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Außenminister Wadephul "tun viel zu wenig, um auf die israelische Regierung einzuwirken", sagte Wagenknecht weiter.
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Quelle: AFP, Reuters, ZDF

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