Visa-Streit um Afghanen: Strafanzeige gegen Wadephul und Dobrindt

Visa-Streit um Afghanen:Strafanzeige gegen Wadephul und Dobrindt

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Zwei Hilfsorganisationen haben Strafanzeige gegen Wadephul und Dobrindt gestellt. Hintergrund sind Abschiebungen von Afghanen aus Pakistan - trotz Aufnahmezusage für Deutschland.

Johann Wadephul und Alexander Dobrindt in der 19. Sitzung des 21. Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude am 11.07.2025 in Berlin.
Johann Wadephul (l.) und Alexander Dobrindt (r.) in einer Sitzung im Bundestag (Archivbild)
Quelle: Action Press

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und das Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte haben Strafanzeige gegen Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gestellt.
Beide Politiker hätten sich unter anderem der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht, kritisierte Pro Asyl in Frankfurt. Hintergrund sind Abschiebungen von Afghanen aus Pakistan, obwohl diese eine Aufnahmezusage für Deutschland gehabt hätten.
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Die afghanische Familie Saleh ist in Pakistan gestrandet. Deutschland hatte zugesagt, sie aufzunehmen. Das Aufnahmeprogramm stockt allerdings. 20.06.2025 | 3:00 min

Hunderte Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage verhaftet

Laut Pro Asyl hat Pakistan am 13. August insgesamt 34 Afghaninnen und Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage nach Afghanistan abgeschoben. Verhaftet worden seien in den Wochen zuvor in Pakistan bereits mehr als 400 afghanische Staatsangehörige mit deutscher Aufnahmezusage.
Zudem seien in der Nacht zum 14. August laut Medienberichten weitere 20 Afghanen und Afghaninnen mit Aufnahmezusage nach Islamabad gebracht worden, von wo sie abgeschoben werden sollten - was auch der Bundesregierung bekannt sei.
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Eine Familie aus Afghanistan ist 2019 auf der Flucht nach Deutschland getrennt worden, zwei der vier Töchter gingen im Iran verloren. Seit Jahren kämpft die Familie darum, die Mädchen nachzuholen.29.07.2025 | 3:22 min

Pro Asyl: Gefährdung der Menschen Folge deutscher Politik

Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, erklärte, diese Abschiebungen und die Gefährdung der geflüchteten Menschen seien Resultate deutschen Regierungshandelns:

Den von den pakistanischen Behörden abgeschobenen Afghanen und Afghaninnen drohen willkürliche Inhaftierung, Misshandlungen oder gar Hinrichtungen.

Wiebke Judith, Pro Asyl

Aktuell warteten noch rund 2.000 Afghaninnen und Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage in Pakistan auf ihre Ausreise nach Deutschland. Da Deutschland keine diplomatische Vertretung in Afghanistan hat, werden die Aufnahmeverfahren über Pakistan abgewickelt.

Patenschaftsnetzwerk: "Abschiebung wäre für viele der Tod"

Alexander Fröhlich vom Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte wies auf die besondere Gefährdung der ehemaligen afghanischen Ortskräfte hin:

Die Taliban betrachten sie als Feinde, an denen sie sich rächen wollen.

Alexander Fröhlich, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte

Ein Flugzeug landet auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Mit der Maschine sind auch ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen aus Afghanistan in Leipzig gelandet. Per Flugzeug werden ehemalige Ortskräfte sowie besonders gefährdete Menschen, etwa Menschenrechtsanwälte oder Frauenrechtlerinnen, nach Deutschland geholt.
Auf dem Flughafen Leipzig/Halle ist im April ein Flugzeug aus Afghanistan gelandet. An Bord: frühere Ortskräfte der Bundeswehr und von den Taliban verfolgte Aktivisten.17.04.2025 | 0:22 min
Fröhlich zufolge befinden sich derzeit 300 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen des Ortskräfteverfahrens der Bundesregierung in Pakistan, viele von ihnen bereits seit mehr als acht Monaten. "Die Abschiebung in die Hände der Taliban wäre für viele von ihnen der Tod", sagte Fröhlich.
Pro Asyl hat die Strafanzeige nach eigenen Angaben zusammen mit dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte am Freitagmorgen elektronisch bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht.

Auswärtiges Amt akzeptiert Visa-Urteil für Afghanen

Ebenfalls am Freitag wurde bekannt, dass das Auswärtige Amt im Rechtsstreit um die Erteilung von Visa für Flüchtlinge aus Afghanistan seine Beschwerde gegen eine Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zurückgenommen hat.
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Zwei Jahre nach Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan ist es ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf gelungen, in das weitgehend isolierte Land zu reisen.09.08.2023 | 28:50 min
Der Pressesprecher des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg, Thomas Jacob, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin, dass damit "die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts rechtsgültig" sei.
24.08.2023, Berlin: Ein Mann geht vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbei.
Das Verwaltungsgericht in Berlin hat entschieden: Aufnahmeversprechen, welche die alte Bundesregierung besonders gefährdete Afghanen gegeben hat, müssen auch eingehalten werden.08.07.2025 | 1:40 min
Dieses hatte Anfang Juli entschieden, dass Deutschland einer afghanischen Familie, die 2023 eine Zusage im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms erhalten hatte, Visa zur Einreise erteilen muss. Seither hat es, laut Berliner Verwaltungsgericht, 20 ähnlich gelagerte Eilbeschlüsse gegeben.

Wadephul: "Große Sorge" um Aufnahmeberechtigte in Pakistan

Außenminister Wadephul erklärte unterdessen, "die Situation der noch in Pakistan verbliebenen Menschen aus den Aufnahmeprogrammen der Bundesregierung bereitet uns große Sorge".
Das Auswärtige Amt stehe mit der pakistanischen Regierung "hochrangig in Kontakt, um den Schutz dieser Menschen zu gewährleisten und denjenigen, die in den letzten Tagen entweder abgeschoben oder verhaftet wurden, schnell zu helfen".
Dobrindt im Bundestag
Bundesinnenminister Dobrindt hat im Bundestag seine Pläne zur Migrationspolitik vorgestellt. Seinen Kurs hat er mit Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen verteidigt.16.05.2025 | 1:42 min
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht, dass die Aufnahmeprogramme "so weit wie möglich" beendet werden sollen. Wadephul hatte sich trotzdem dafür ausgesprochen, jene Afghanen einreisen zu lassen, die eine rechtsverbindliche Zusage aus Deutschland haben.
Das Innenministerium hatte am Mittwoch keine konkreten Zeitangaben für die gefährdeten Afghanen in Pakistan gemacht, aber von einer "zeitnahen Entscheidung" gesprochen.
Quelle: KNA, epd, AFP

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