CSD unter Druck:Wenn Vielfalt zur Zielscheibe wird
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Die Community feiert beim CSD - doch der Gegenwind wird stärker. Rechte Gruppen hetzen gegen queere Sichtbarkeit, auch die Gewalt nimmt zu. Woran liegt das?
Am Wochenende steht Köln im Zeichen des Christopher Street Day - bunt, laut und kämpferisch. Schon am Freitagnachmittag startete das dreitägige Straßenfest in der Kölner Innenstadt. Und über eine Million Besucherinnen und Besucher werden erwartet, wenn sich am Sonntag rund 250 Gruppen mit etwa 60.000 Teilnehmenden für die große Parade durch die Innenstadt bewegen - um für Vielfalt, Freiheit und gleiche Rechte einzustehen. Doch in diesem Jahr liegt ein Schatten über der Pride-Saison: Queere Menschen sind stärker bedroht als je zuvor.
"Der Umgang und die Wortwahl haben sich geändert", warnt Hugo Winkels vom Verein Cologne Pride. Immer häufiger schwappt queerfeindliche Hetze aus den sozialen Medien auf die Straße. Die Polizei registriert einen deutlichen Anstieg entsprechender Straftaten, besonders aus dem rechten Spektrum. Der CSD in Gelsenkirchen wurde kürzlich aus Sicherheitsgründen abgesagt, in Regensburg wurde die Strecke verkürzt, in Soest gab es einen tätlichen Angriff. Doch woher kommt dieser neue Hass?
Queerfeindlichkeit als Projekt der extremen Rechten
Für den Extremismusforscher Patrick Wielowiejski von der Humboldt-Universität Berlin ist klar: Die Anfeindungen gegen queere Menschen sind kein Zufall, sondern ideologisch motiviert. Im heute journal-Podcast sagt er:
Das Feindbild Queer steht in direkter Verbindung zur rechten Idee einer ethnisch verstandenen Volksgemeinschaft.
Patrick Wielowiejski, Extremismusforscher
In dieser Vorstellung bilde die weiße, heterosexuelle Kleinfamilie das Rückgrat der Nation - queere Lebensweisen gelten in diesem Weltbild als "dekadent" oder "nicht reproduktionsfähig" - und damit als Bedrohung.
Solche Narrative sind nicht neu - sie reichen tief in die Geschichte rechter Ideologien zurück. Neu sei allerdings, wie stark insbesondere junge Männer auf Social Media für Hasskampagnen mobilisiert würden. Laut Wielowiejski bieten queerfeindliche Kampagnen einen "einfachen Einstieg" für frisch politisierte Neonazis.
Verstärkt wird das durch Gruppen wie "Die Heimat", die gezielt Demonstrationen gegen CSDs anmelden. Hinter vielen Taten stecke daher nicht nur persönlicher Frust, sondern ein strategisches Kalkül: Angst erzeugen, Sichtbarkeit zurückdrängen und Solidarität untergraben.
"Backlash" und Entsolidarisierung
Ein zentrales Motiv dieses neuen Extremismus ist laut Wielowiejski die Reaktion auf Fortschritte. Die größere Sichtbarkeit queerer Menschen, etwa durch Medien oder das Selbstbestimmungsgesetz, ziehe so etwas wie einen "Backlash" nach sich: Je mehr Erfolge erreicht würden, desto aggressiver reagierten die Gegner. Dabei spiele auch eine gesellschaftliche "Ungleichzeitigkeit" eine Rolle: Während queere Menschen jahrzehntelang für Rechte kämpfen mussten, empfinden manche Gruppen den Wandel als zu schnell oder überfordernd.
Hinzu kommt ein gefährlicher Trend: Die Entsolidarisierung bürgerlicher Milieus von der queeren Community. Neonazistische Angriffe hätten nicht nur queere Menschen im Visier, sondern zielten darauf, den Schulterschluss zwischen LGBTQIA+-Community und moderaten Kräften aufzubrechen, erklärt Wielowiejski.
Ein Beispiel sei die Entscheidung, die Regenbogenflagge nicht mehr auf dem Reichstagsgebäude zu hissen, sagt der Experte. Solche Signale stärken nach seiner Ansicht die Strategie der extremen Rechten, CSDs wieder als Kulturkampfareale zu markieren.
Quelle: dpa, ZDF
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