Belästigung und Drohungen:Wie Stalking Diana das Leben zur Hölle machte
von Anne Stadtfeld
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Diana aus Torgelow musste über Jahre Drohungen eines Stalkers ertragen. Einmal würgte er sie sogar. Er wurde verurteilt und inhaftiert. Bald kommt er aber wieder raus - und dann?
Diana aus Torgelow wird jahrelang von ihrem Ex-Freund gestalkt, bedroht und belästigt. Nun ist ihr Stalker für 18 Monate im Gefängnis - zu kurz findet sie und fordert strengere Gesetze.03.06.2025 | 5:33 min
Diana ist Opfer eines Stalkers geworden: Zuerst wurde die heute 44-Jährige von ihrem Ex-Partner von der Außenwelt isoliert, dann folgten Schläge. Nach einer Anzeige lauerte er ihr immer wieder auf, verfolgte und bedrohte sie.
Überall drehst du dich um. Du kannst nicht mehr dein Leben leben. Der Weg zur Arbeit wird zum Krampf.
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Diana, Stalking-Opfer
Ständig sei sie in Panik gewesen, erzählt sie. Diana möchte nicht, dass ihr Nachname in der Berichterstattung genannt wird.
Das Stalking begann nach der Trennung vom Ex
2019 begegnete Diana Ingo S., der in ihrer Nachbarschaft in Torgelow wohnte. Die beiden wurden ein Paar. Schnell merkte sie, dass ihr die Beziehung nicht gut tat. Er habe sie von der Außenwelt isoliert, alleine zum Sport oder mit Freunden treffen sei tabu gewesen, erzählt sie heute.
Stalking ist das beharrliche Verfolgen, Belästigen oder Bedrohen einer Person. Seit 2007 ist es im Strafgesetzbuch unter § 238 StGB geregelt. Stalking kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. In besonders schweren Fällen sind sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich.
Anne Stadtfeldt
Es folgten Schläge, häufig habe sie blaue Flecken oder Abschürfungen am ganzen Körper gehabt, speziell dem Rücken. Trauriger Höhepunkt: Ingo würgte sie am Hals, sagt sie. Nach einem Jahr trennte sie sich, aber er wollte sie nicht ziehen lassen und begann sie zu stalken.
Manchmal fuhr er zwölf Mal innerhalb einer Viertelstunde an ihrem Haus vorbei, teils machte er bedrohliche Gesten, einmal habe er sogar versucht, sie auf ihrem Motorrad von der Straße abzudrängen.
Diana führte Stalkingtagebuch
Diana begann sich zu wappnen, besorgte sich Pfefferspray, filmte Ingos Übergriffe mit einer Body-Cam und dokumentierte alles in einem Stalking-Tagebuch.
Irgendwann erstattete Diana Anzeige und erwirkte ein Kontakt- und Annäherungsverbot. Er durfte sich im Umkreis von 100 Metern um Dianas Wohnort nicht aufhalten, sie nicht anrufen oder ansprechen und ihr auch keine SMS schreiben.
Der 48-jährige Mann wurde festgenommen, nachdem er das Tor von Jennifer Anistons Villa in L.A. gerammt hatte. Er soll sie seit zwei Jahren mit Anrufen und E-Mails belästigen.08.05.2025 | 0:38 min
... ist eine gerichtliche Schutzmaßnahme. Sie untersagt einem Stalker, jeglichen Kontakt zum Betroffenen aufzunehmen, sich ihm räumlich zu nähern oder bestimmte Orte aufzusuchen, an denen er sich regelmäßig aufhält. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll beim Familiengericht gestellt werden. Dieses Gericht kann ohne Anhörung des Täters dieses Verbot erlassen, das sofort wirksam ist. Meist wird es für sechs Monate ausgesprochen. Das Gericht kann aber auch eine dauerhafte Regelung treffen.
Anne Stadtfeld
Ihr Ex-Partner stellte ihr trotzdem täglich nach, sagt sie. Die Attacken des Stalkers verängstigten die Mutter von zwei Söhnen so sehr, dass sie versuchte, sich das Leben zu nehmen.
Ich war nicht mehr da. Der Arzt hat was Gutes gesagt, als ich diesen Suizidversuch unternommen hatte. Er hat gesagt, sie haben sich selbst verloren.
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Diana, Stalking-Opfer
Obwohl sich Diana von der Polizei häufig nicht ernst genommen fühlte, erstattete sie trotzdem immer wieder Anzeige und meldete Ingos Übergriffe. Nach knapp vier Jahren hatte Diana Glück, an eine Polizeikommissarin zu geraten, die ihre Anzeigen ernst nahm und Haftbefehl bei der Staatsanwaltschaft erwirkte.
Im Februar 2025 wurde Ingo wegen schwerer Körperverletzung und Nachstellung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Betroffene können Anzeige bei der Polizei erstatten. Beim Familiengericht haben sie die Möglichkeit, eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) zu beantragen. Diese beinhaltet auch das Kontakt- und Näherungsverbot. Verstöße dagegen sind strafbar. Opfer können auch über eine zivilrechtliche Unterlassungsklage nachdenken, um weitere Belästigungen zu unterbinden. Außerdem bestehen die Möglichkeiten: Attacken dokumentieren, juristische Beratung durch einen Anwalt einholen.
Anne Stadtfeld
Stalking in Deutschland nimmt zu
Deutschlandweit steigen die Zahlen von Stalking. Laut polizeilicher Kriminalstatistik des Bundesinnenministeriums von 2024 im Vergleich zum Vorjahr um etwa sieben Prozent.
Das merkt auch Ricarda Menzlin von der Interventionsstelle für häusliche Gewalt und Stalking im Mecklenburg-Vorpommerschen Wolgast. Wöchentlich holt sie sich neue Fälle bei der Polizei ab. Die Erwachsenenberaterin begleitet Betroffene zum Gericht und berät über Möglichkeiten und Aussichtschancen.
Die Zahlen der Erwachsenen-Fälle sind allein in Mecklenburg-Vorpommern so stark gestiegen, dass drei der fünf Interventionsstellen die Beratung für Kinder- und Jugendliche einstellen mussten, sagt Ricarda Menzlin. Erschwerend käme hinzu, dass es zu wenig Fachpersonal gebe.
Werden Stalker zu sanft bestraft?
Dianas Stalker sitzt seine Gefängnisstrafe ab, doch sie und ihre Anwältin, Antje Krins, sind enttäuscht vom Strafmaß. Die Juristin kritisiert, dass das häufig nicht voll ausgeschöpft werde.
Ich glaube, dass die Gerichte die Opfer noch zu wenig sehen. Denn das Opfer ist massiv in seinem Leben eingeschränkt, und das wird zu wenig beachtet.
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Anja Krins, Anwältin
Außerdem fordern beide Frauen, dass Polizeibeamte zum Thema Stalking stärker geschult werden.
Verletzungen sollten vom Arzt dokumentiert werden
Anwältin Antje Krins rät Betroffenen, ein Stalking-Tagebuch zu führen, mit Datum, Ort und genauer Zeitangabe, um vor Gericht die Übergriffe nachweisen zu können. Das geht zum Beispiel auch mittels der "NO STALK"-App der Hilfsorganisation Weisser Ring. Bei Körperverletzungen rät Krins Opfern, Verletzungen direkt vom Arzt dokumentieren zu lassen.
Dr. Sarah Tacke erläutert, was Betroffene tun können.03.04.2024 | 6:23 min
Diana graut es schon jetzt vor dem Tag, an dem ihr Stalker aus der Haft entlassen wird. Sie befürchtet, dass Ingo ihr wieder auflauern könnte oder schlimmer: Ihr wirklich etwas antun würde. Trotzdem zieht sie aus dem erlebten Albtraum etwas Positives.
Ich bin dadurch stärker geworden - selbstbewusster, stärker, eigenständiger. Ich mache jetzt Dinge, die hätte ich vorher nie alleine gemacht.
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Diana, Stalking-Opfer
Die Region verlassen will sie auf keinen Fall. Ihre Geschichte soll anderen Betroffenen Mut machen, sich rechtzeitig zu wehren.