EU-Außenminister tagen zu Israel, Iran und dem Nahost-Konflikt

Nahost-Konflikt:Europas Suche nach dem Platz am Tisch

von Lukas Nickel
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Die Botschaft der Europäer in den Nahen Osten: Wir stehen zusammen für Deeskalation und Verhandlung. Doch das stößt bei den Konfliktparteien auf taube Ohren.

Der französische Außenminister Jean-Noel Barrot (M) spricht mit (von links) dem maltesischen Außenminister Ian Borg, der slowenischen Außenministerin Tanja Fajon, dem slowakischen Außenminister Juraj Blanar und dem spanischen Außenminister Jose Manuel Albares Bueno während eines Treffens der EU-Außenminister im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel.
Die EU-Außenminister haben sich in Brüssel getroffen, um die Rolle der EU in der zunehmenden Eskalation im Nahen Osten zu besprechen.
Quelle: dpa

Viele Bilder von den Angriffen auf die iranischen Atomzentren gibt es nicht. Ein paar Satellitenaufnahmen, die die Schäden dokumentieren, gehen gerade um die Welt. Die große Sorge: Der Konflikt könnte sich auf die Region ausweiten, die USA gar in einen Krieg hineingezogen werden.
Europa, so ist die Botschaft am Montag beim Treffen der EU-Außenminister, ist für Verhandlungen und Deeskalation. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul fasst es so zusammen: "Die Europäer haben am Freitag dem Iran gesagt, dass er bereit sein müsse zu direkten Verhandlungen mit den USA. Das war leider nicht erfolgreich. Möglicherweise ist das, was wir gesehen haben, eine Folgen dessen. Und deswegen erneuere ich die Aufforderung an den Iran, jetzt zu Verhandlungen bereit zu sein."
Krieg zwischen Israel und Iran
Iran hat eine US-Militärbasis in Katar beschossen, offenbar ohne größere Folgen. Trump hält ein Ende der gegenseitigen Angriffe für möglich. Unterdessen gehen Angriffe zwischen Israel und Iran weiter.24.06.2025 | 2:25 min
Auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron gab am Sonntag bei einem Ministerrat zum Thema Sicherheit eine ähnliche Linie vor: "Keine rein militärische Antwort wird die erwünschten Effekte haben. Diplomatische und technische Gespräche sind der einzige Weg, das Ziel zu erreichen, das wir alle verfolgen, nämlich zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen erhält und es eine unkontrollierte Eskalation in der Region gibt."

Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich

In den vergangenen Tagen gab es jedoch in der Tonalität einige Unterschiede zwischen den großen europäischen Partnern. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, dass Israel gerade die "Drecksarbeit" erledige. Die französische Regierung äußerte sich dazu deutlich vorsichtiger.
"Ich denke, dass all diejenigen, die glauben, dass man ein Land trotz oder sogar gegen sich selbst rettet, wenn man von außen mit Bomben zuschlägt, schon immer falsch gelegen haben", so Macron am Rande des G7-Gipfels vergangene Woche in Kanada. Auch der britische Premierminister Keir Starmer sprach davon, dass der "absolute Fokus" auf Deeskalation liege.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Angriffe der USA und Israels auf Iran begrüßt. "Es gibt für uns und auch für mich persönlich keinen Grund, das zu kritisieren, was Israel vor einer Woche begonnen hat", sagte Merz am Montag auf dem Tag der Industrie des Wirtschaftsverbandes BDI. "Und es gibt auch keinen Grund, das zu kritisieren, was Amerika am letzten Wochenende getan hat", fügte er mit Blick auf die US-Angriffe auf iranische Atomanlagen hinzu.

"Es ist nicht ohne Risiko. Aber es so zu belassen, wie es war, war auch keine Option", betonte der Kanzler mit Blick auf das iranische Atomprogramm. Iran wird vorgeworfen, Atombomben zu entwickeln, was die Regierung in Teheran zurückweist. Es gebe sicher die Gefahr einer Eskalation, sagte Merz. Aber er sei einigermaßen optimistisch, dass es dazu nicht kommen müsse, wenn er sich die bisherigen Reaktionen Irans anschaue. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Iran noch keine Vergeltungsschläge gegen die US-Angriffe durchgeführt.

ZDF-Korrespondent Ulf Röller aus Brüssel
Heute treffen sich die EU-Außenminister, um über das diplomatische Vorgehen im Israel-Iran Krieg zu beraten. Ulf Röller berichtet aus Brüssel über die Einflussmöglichkeiten der EU.23.06.2025 | 0:52 min

Kein Zeichen für Deeskalation

Die Konfliktparteien machen derzeit allerdings keinen Anschein, verhandeln zu wollen. Am Montagnachmittag kam die Meldung, dass Israel das Gefängnis Ewin in Teheran angegriffen hat, in dem sich zwei französische Gefangene befinden. Der iranische Außenminister ist nach Moskau gereist. "Die unprovozierte Aggression gegen den Iran hat keine Grundlage, keine Rechtfertigung", sagte Russlands Staatspräsident Wladimir Putin dort.
Aus Teheran hört man weitere Drohungen gegen die USA. "Jedes Mal, wenn die Amerikaner ein Verbrechen begangen haben, haben sie eine entschiedene Antwort bekommen. Das wird auch jetzt der Fall sein", so der General Amir Hatami in einer Erklärung des iranischen Militärs. Am Abend griff Iran nach eigenen Angaben einen US-Militärstützpunkt in Katar an.
Auch US-Präsident Donald Trump hat nachgelegt, auf seiner eigenen Onlineplattform Truth Social: "Wenn das gegenwärtige iranische Regime den Iran nicht wieder groß machen kann, warum sollte es dann nicht gestürzt werden?" Aussagen, die sich deutlich von denen der Europäer unterscheiden.
Johann Wadephul (CDU), Bundesaußenminister, spricht auf einer Pressekonferenz in der Residenz des deutschen Botschafters in Maskat.
Bundesaußenminister Wadephul will in Genf den iranischen Außenminister Araghtschi treffen. Außerdem werden Vertreter aus Frankreich und Großbritannien anwesend sein.20.06.2025 | 0:24 min

Experte: Militärische Stärke für Trump entscheidend

Spielt die Europäische Union also gerade keine Rolle? "Ich fürchte ja", sagt Stefan Seidendorf, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg. "Donald Trump hat Großbritannien und Frankreich informiert über seinen Angriff, Deutschland hat er schon nicht informiert, die EU auch nicht". Trump rechne in militärischer Durchschlagkraft und militärischer Stärke, so Seidendorf weiter. Doch eine Weltordnung, in der Diplomatie sich dem unterordnen muss, sei keine Perspektive, die auf Dauer funktionieren und zu Stabilität führen könne.
Eine Chance für die EU: Irgendwann müssten die Verhandlungen losgehen, sagt der Experte:

Dann wird die Zeit kommen, wenn man auch wieder über Handel, über Wirtschaft, über Sanktionen spricht. Und dort wird die EU mit ihrer Handelsmacht wieder ins Spiel kommen.

Stefan Seidendorf, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg

Bis dahin sieht es jedoch so aus: Die EU hat keinen Platz am Verhandlungstisch.
Lukas Nickel ist Reporter im ZDF-Studio Paris.

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