Angriffe Israels und der USA:Irans Atomprogramm: Wo sind die 400 Kilo Uran?
von Oliver Klein
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Iran hat vor dem US-Angriff möglicherweise 400 Kilo hoch angereichertes Uran weggeschafft. Was ist dazu bekannt? Wie viel iranisches Atomprogramm ist übrig? Ein Überblick.
"Wenn man wirklich Frieden will", brauche es "noch eine Menge Arbeit", "um den Iran dazu zu bekommen, dass er tatsächlich den Atomprogrammen abschwört", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Washington.25.06.2025 | 3:20 min
Waren die US-amerikanischen und israelischen Angriffe auf iranische Atomanlagen ein voller Erfolg oder nur ein symbolischer Schlag? Und vor allem: Konnte der Iran seine mehr als 400 Kilogramm fast waffentaugliches Uran rechtzeitig beiseite schaffen - und wie wäre so etwas möglich? ZDFheute mit einem Überblick und Antworten zu den wichtigsten Fragen.
Was ist vom Atomprogramm noch übrig?
Die Einschätzungen widersprechen sich: US-Präsident Donald Trump sagte, Irans Atomanlagen seien "komplett und total ausgelöscht" worden. Israels Armee geht nach eigenen Angaben davon aus, das iranische Atomprogramm mit den Angriffen um Jahre zurückgeworfen zu haben.
"Es gibt Satellitenaufnahmen, die zeigen, dass vor den Einschlägen […] Material abtransportiert worden sei", so ZDF-Korrespondent Jörg Brase in Istanbul zu den Behauptungen, Irans Atomprogramm sei nicht komplett zerstört.25.06.2025 | 3:05 min
Doch eine erste Einschätzung eines US-Geheimdienstes zeichnet ein anderes Bild: Die "New York Times" und CNN berichten unter Berufung auf eine Analyse des US-Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA), dass das US-Bombardement vom Wochenende Irans unterirdische Atomanlagen nicht zerstören konnte. Der Angriff soll das iranische Atomprogramm "höchstens um ein paar Monate" zurückgeworfen haben. Es gebe zwar massive Schäden, die unterirdischen Anlagen seien jedoch nicht eingestürzt.
Neue Inspektionen von Irans Atomprogramm seien dringend nötig, so der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde Grossi. Laut Berichten wurde es nur um Monate zurückgeworfen.25.06.2025 | 0:25 min
Auch Jan Busse von der Universität der Bundeswehr bilanziert in einem Interview mit ZDFheute live: Die Angriffe hätten die Atomanlagen zwar nachhaltig beschädigt, das iranische Atomprogramm sei aber keineswegs zerstört worden. Das Wissen sei weiterhin im Land und die benötigte Infrastruktur könne wieder aufgebaut werden.
US-Präsident Trump hat eine Waffenruhe zwischen Israel und Iran verkündet. Der Grund: Die Akteure hätten aktuell ein Interesse an Deeskalation, analysiert Nahost-Experte Jan Busse.24.06.2025 | 14:55 min
Andere Experten wie Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien zweifeln jedoch an einem raschen Wiederaufbau. Im ZDF-Interview sagte er:
Der Iran hat momentan schlicht und einfach nicht die Kapazitäten, dieses Atomprogramm wieder von Null auf 100 zu starten.
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Georg Steinhauser, Technische Universität Wien
Dem Iran würden dazu beispielsweise Zentrifugenfabriken fehlen, die für die Anreicherung notwendig seien: "Für neue Zentrifugen fehlen die Mittel."
Die USA haben iranische Atomanlagen angegriffen. US-Präsident Donald Trump spricht von einer vollständigen Zerstörung der Anlagen und droht mit noch größeren Attacken, sollte die iranische Seite nicht einen Weg des Friedens einschlagen.22.06.2025 | 13:09 min
Auch Ulrich Schlie, Direktor des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies, geht davon aus, dass durch die Angriffe die Infrastruktur zur Anreicherung schwer beschädigt ist.
Der Schlag hat das Mullah-Regime insgesamt empfindlich geschwächt. Ich würde den Kollaps in den kommenden Monaten nicht ausschließen.
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Ulrich Schlie, Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies, Bonn
Uran anzureichern, bedeutet, die Konzentration des Typs des Schwermetalls zu erhöhen, der eine nukleare Reaktion antreiben kann. Dieser Typ, auch Isotop genannt, heißt Uran-235. Anreicherung bedeutet im Grunde, Atome eines anderen Isotops, Uran-238, zu entfernen. Natürliches Uran enthält nur etwa 0,7 Prozent Uran-235, während der restliche Großteil - rund 99 Prozent - aus Uran-238 besteht
Wird der Gehalt an Uran-235 auf über 20 Prozent erhöht, spricht man von hochangereichertem Uran. Für Kernwaffen wird etwa 90-prozentiges Uran verwendet.
Quelle: AP, ZDF
Wo sind die 400 Kilogramm hoch angereichertes Uran?
Einer der zentralen Aspekte: Der Iran besitzt nach Erkenntnissen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent. Und offenbar wissen weder die Amerikaner noch die Israelis, wo sich das Material nun befindet.
Laut dem DIA-Geheimdienstbericht soll ein Großteil des angereicherten Urans vor den Angriffen verlegt worden sein, schreibt die "New York Times". Iran könnte einen Teil davon an geheime Orte gebracht haben, heißt es. Von israelischer Seite habe es ähnliche Hinweise aus Geheimdienstkreisen gegeben.
Wichtige Einrichtungen des iranischen Atomprogramms
Quelle: ZDF
Ulrich Schlie geht davon aus, dass das Uran nach der amerikanischen Vorwarnung mit Lastern abtransportiert wurde. Geheimdiensten würden dazu vermutlich die entsprechenden Luftbilder vorliegen, vermutet er. "Je nach Zustand des Uranmaterials ist dieses verhältnismäßig leicht in Puderform in einem großen Zylinder transportierbar", erklärt der Experte. Es sei nicht schwierig, das Material in ein sicheres Zwischenlager zu bringen.
Israel hat den Iran angegriffen, um eine nukleare Bedrohung abzuwenden. Wie konkret war die Gefahr und kann ein Luftschlag ein Atomprogramm wirklich stoppen?
von Jan Schneider
mit Video
Was kann man mit 400 Kilogramm angereichertem Uran machen?
Bereits vor dem US-Angriff erklärte Nuklearexperte Busse gegenüber ZDFheute, dass der Iran bereits in der Lage sei, genügend hoch angereichertes Uran für bis zu zehn Atombomben bereitzustellen: Es gebe bereits etwa 400 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent. Die Menge auf 90 Prozent anzureichern, sei dabei "eine Frage von wenigen Tagen".
Das sei aber "noch lange keine einsatzfähige Bombe", so Busse: Es fehle weiterhin ein funktionsfähiger Sprengkopf und ein geeignetes Trägersystem. Selbst, wenn der Iran die Entscheidung zum Bau einer Bombe getroffen hätte, was offiziell immer bestritten wurde: Experten gehen davon aus, dass Teheran mindestens ein bis zwei Jahre von einer einsatzfähigen Atomwaffe entfernt war.
Nach dem US-Angriff auf Atomanlagen in Iran hat Teheran einen Vergeltungsangriff gestartet. Arabische Länder verurteilen den Angriff. Alle Entwicklungen im Liveblog.