Was sind jetzt die Folgen?:Drohnen über Polen abgeschossen: Was wir wissen
Polen hat mehrere Drohnen russischer Bauart in seinem Luftraum abgeschossen. Was ist zu den Flugobjekten bekannt und welche Folgen könnte der Vorfall jetzt in der Nato haben?
Erstmals hat Polen offenbar russische Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht von einer „beispiellosen Verletzung des Luftraums“. Ministerpräsident Tusk berief Krisensitzungen ein und informierte die NATO.
10.09.2025 | 1:41 minSeit Wochen tauchen über dem polnischen Luftraum immer wieder Flugobjekte mutmaßlich russischer Herkunft auf. In der Nacht zu Mittwoch hat die polnische Luftwaffe nun erstmals mehrere der Drohnen abgeschossen. Tote oder Verletzte gab es dabei nicht. Flughäfen im Land blieben am Mittwochmorgen zeitweise geschlossen; die Regierung Polens kündigte an, den Vorfall im Nato-Bündnis zu diskutieren. Was wir über die Lage bislang wissen.
Was ist zu den Flugobjekten bekannt?
Das Oberkommando der polnischen Streitkräfte sprach von "mehr als einem Dutzend" Flugobjekten, die in den polnischen Luftraum eingedrungen seien. Polen setzte mehrere Kampfflugzeuge ein, um sie abzuschießen. Auch die Nato habe geholfen: Es sei das erste Mal gewesen, dass Nato-Flugzeuge "potenzielle Bedrohungen im Luftraum eines Verbündeten angegriffen haben", erklärte ein Nato-Sprecher am Mittwoch. Während der Luftraumverletzung seien auch deutsche Patriot-Luftabwehrsysteme in Polen in Alarmbereitschaft gesetzt und ein italienisches Frühwarnflugzeug gestartet worden, hieß es weiter. Der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans bestätigte auf X, dass auch niederländische F35-Jets russische Drohnen abgefangen hätten.
Nach Angaben des Innenministeriums in Warschau wurden bisher sieben Drohnen und Trümmerteile eines Geschosses "unbekannter Herkunft" sichergestellt. Fünf Drohnen seien in der ostpolnischen Wojwodschaft Lublin gefunden worden, sagte eine Ministeriumssprecherin. Eine Drohne sei über der Wojwodschaft Lodz in Zentralpolen abgestürzt, eine weitere über der nordöstlichen Wojwodschaft Masuren-Ermland.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Polen die volle Solidarität zugesichert. Das betonte sie in ihrer Rede im Europäischen Parlament zur Lage der EU.
10.09.2025 | 1:30 minDamit verteilen sich die Fundorte der Drohnen über mehrere Teile Polens, nicht nur solche in Grenznähe. Das lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass die Flugobjekte nur versehentlich auf polnisches Gebiet gelangten, oder über polnisches Gebiet die Ukraine treffen sollten. "Um in die Ukraine zu fliegen hätten sie diesen Weg nicht nehmen müssen", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch im Bundestag.
Es gibt definitiv keine Anlässe zu vermuten, dass es sich hier um Kurskorrekturfehler oder dergleichen handelt. Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht wurden.
Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister
Bislang machten die polnischen Behörden keine offiziellen Angaben, um welche Art von Drohnen es sich handelt. Erste Fotos von einem der Absturzorte, die der Fernsehsender RepublikaTV veröffentlichte, zeigen ein Drohnen-Modell russischer Herkunft. Dabei handelt es sich um eine Version einer Gerbera-Drohne, die von Russland seit Mitte 2024 eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um Einweg-Drohnen. Von ihnen gibt es unterschiedliche Ausführungen, etwa mit eingebautem Sprengsatz oder solche zur elektronischen Kampfführung. Sie haben eine Reichweite von bis zu mehreren Hundert Kilometern.
Foto einer der mutmaßlichen Drohnen
Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von X nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von X übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von X informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Polnische Medien veröffentlichten am Morgen ebenfalls Fotos eines beschädigten Wohnhauses in der Ortschaft Włodawa in der Region Lublin. Sie liegt in unmittelbarer Nähe der Grenzen zu Belarus und der Ukraine. Weitere Trümmerteile wurden in der Nähe des ostpolnischen Biala Podlaska gefunden.
Zum ersten Mal seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hat Polen in der Nacht Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen. „Tusk spricht von einer nie dagewesenen Provokation“, so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger.
10.09.2025 | 1:40 minWie reagiert Polen auf den Vorfall?
Polizei und Militär sind weiterhin auf der Suche nach Drohnen oder Drohnenteilen. Der Generalstab rief die Bevölkerung auf, sich gefundenen Trümmerteilen nicht zu nähern, sondern den Notruf zu wählen und die Polizei über den Fund zu informieren. Am Himmel über dem östlichen Polen kreisten am Morgen Luftaufklärer der polnischen Streitkräfte, um den Luftraum weiter zu beobachten.
Alle Polizeieinheiten sowie Soldaten der polnischen Armee und anderer Dienste befinden sich in höchster Alarmbereitschaft.
Polnische Polizei auf X
"Wir haben es mit einer groß angelegten Provokation zu tun", sagte Polens Regierungschef Donald Tusk in einer ersten Stellungnahme. Polen sei bereit, solche Provokationen abzuwehren, so Tusk. "Die Lage ist ernst, und wir müssen uns ohne Zweifel auf verschiedene Szenarien vorbereiten."
Polen hat mehrere Drohnen russischer Bauart in seinem Luftraum abgeschossen. „Das ist eine weitere Form des hybriden Angriffs auf uns alle“, so FDP-Politiker Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
10.09.2025 | 4:38 minDie EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat im Zusammenhang mit den Vorfällen in Polen eine vorsätzliche Verletzung des polnischen Luftraums nicht ausgeschlossen. Es gebe "Anzeichen, dass es absichtlich war, nicht aus Versehen", schrieb Kallas am Mittwoch im Onlinedienst Bluesky. Es handele sich um die "schwerwiegendste Verletzung des europäischen Luftraums durch Russland seit Kriegsbeginn", fügte sie hinzu.
Was sagt Russland zu den Vorwürfen?
Der Kreml wollte sich nicht zu den Vorwürfen einer Verletzung des polnischen Luftraums durch äußern. "Die Führung von EU und Nato werfen Russland täglich Provokationen vor, meist ohne zu versuchen, dafür irgendeine Argumentation vorzulegen", sagte Sprecher Dmitri Peskow auf Nachfrage. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es habe nicht geplant, Ziele in Polen zu treffen. Es habe einen erfolgreichen Großangriff mit Drohnen auf militärische Einrichtungen in der Westukraine gegeben, so das Ministerium. Man sei bereit, sich mit der polnischen Seite auszutauschen, so das Ministerium.
Russlands Verbündeter Belarus meldete sich am Mittwoch mit einer unerwarteten Botschaft: Auch man selbst habe Drohnen in seinem Luftraum abgeschossen, so die belarussische Armee. Man habe Drohnen "zerstört", die aufgrund von Stör- oder Abfangmanövern der Ukraine und Russlands von "ihrer Flugbahn abgekommen" seien. Diese Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden.
Russland greift die Ukraine zunehmend mit Drohnen an – gebaut mit westlicher Technik und Mikrochips. An der Front sichergestellte Drohnenteile zeigen: Trotz Sanktionen floriert der Schattenmarkt.
20.08.2025 | 13:02 minKönnten es auch Flugobjekte der Ukraine sein?
Der aktuelle Vorfall weckt Erinnerungen an den 15. November 2022 - damals war eine Rakete nahe der ukrainisch-polnischen Grenze eingeschlagen. Zwei Menschen starben. Zunächst hatte die Ukraine Moskau einen Angriff auf polnisches Gebiet vorgeworfen, später stellte sich heraus, dass die Fehlfunktion einer ukrainischen Flugabwehrrakete für die Explosion verantwortlich war.
Es gibt keinerlei Hinweise, dass die Flugobjekte im aktuellen Fall ukrainischer Herkunft sein könnten. Die Ukraine setzt keine Drohnen dieser Bauform ein. Der Ablauf des aktuellen Vorfalls unterscheidet sich nach aktuellem Wissensstand grundlegend vom Einschlag der Flugabwehrrakete, etwa da mehrere Orte betroffen sind.
Die Zahl verdächtiger Drohnenflüge mutmaßlich russischer Herkunft hat in mehreren europäischen Staaten, darunter auch Deutschland, in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Meist handelt es sich dabei um kleinere Beobachtungsdrohnen, die im Anschluss auch nicht gefunden und sichergestellt werden können. Vermehrt kommen dabei aber auch größere Flugobjekte zum Einsatz, die etwa von Schiffen in der Ostsee aus starten.
Die Lage ist auch deshalb angespannt, weil am Freitag das russisch-belarussische Großmanöver Sapad-2025 startet. Seit Jahren üben beide Nationen darin für eine militärische Konfrontation mit der Nato.
Durch Russlands Massenproduktion der Geran-2-Drohnen wird das Ausmaß der russischen Luftangriffe auf die Ukraine in Zukunft immer weiter wachsen, sagt Militärexperte Nico Lange.
07.09.2025 | 11:26 minIst der Vorfall ein Angriff auf die Nato?
Eine solche Verletzung des Luftraums kann, insbesondere wenn er vorsätzlich geschieht, vom Betroffenen theoretisch als Angriff gewertet werden. Polen teilte am Vormittag mit, man beantrage bei der Nato Konsultationen zu dem Vorfall.
Hierbei handelt es sich aber Stand jetzt nicht um einen möglichen Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, sondern um Beratungen nach Artikel 4, der für weniger drastische Vorfälle gedacht ist. Für die Sorge, der Vorfall könnte einen Nato-Bündnisfall auslösen, gibt es aktuell keinerlei Anhaltspunkte.
Die Bündnisverpflichtungen des Nordatlantikvertrags greifen nicht automatisch. Ein betroffenes Land muss den entsprechenden Mechanismus aktivieren und der Vorfall im Nordatlantikrat besprochen werden. Reaktionen müssen dabei nicht zwingend militärischer Natur sein.
Artikel-4-Beratungen finden in der Regel nach schwerwiegenden militärischen Vorfällen oder mit Blick auf besondere sicherheitspolitische Ereignisse statt.
Bundesministerium der Verteidigung
In der Nato-Geschichte wurde Artikel 5 ein einziges Mal in Anspruch genommen, von den USA nach dem 11. September 2001. Beratungen nach Artikel 4 gab es insgesamt sieben Mal, zuletzt nach Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022. Die Nato teilte mit, dass sie sich im Austausch mit der Regierung in Warschau befinde.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog: