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Analyse
Vor dem Gipfel mit Trump:Warum Putin gelassen nach Alaska reisen kann
von Felix Klauser
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Durch das Treffen mit Trump ist Putin zurück auf der politischen Weltbühne. Der Kremlchef hat damit schon viel gewonnen - ganz gleich, wie der Alaska-Gipfel ausgeht.
Wladimir Putin hat es mal wieder geschafft. Noch vergangene Woche schien Russlands Präsident in einer ungewöhnlich unbequemen Lage: Donald Trump drohte, die Geduld mit Russland zu verlieren. Ein Ultimatum für eine Waffenruhe im Krieg in der Ukraine stand im Raum und US-Sanktionen gegen jene, die weiter russisches Öl und Gas kaufen.
Eine Moskau-Reise später - von Steve Witkoff, dem US-Sondergesandten - ist alles anders: Ultimatum vom Tisch, harte US-Sanktionen erstmal vertagt und Putin in Alaska.
Russland: Gebietsabtretungen als "Angebot"
Mit einem vergleichsweise einfachen Taktikwechsel hat Putin den US-Präsidenten dorthin gebracht, wo er ihn wohl immer haben wollte. Nachdem Moskau Gespräche über Gebietsansprüche lange abgelehnt hatte, verließ der US-Gesandte Witkoff den Kreml vergangene Woche offenbar mit dem Eindruck, Russland sei nun doch zu Gebietsverhandlungen bereit, und zu einem Waffenstillstand.
Es wird einen Tausch von Territorien geben, der für beide Seiten von Vorteil ist.
Donald Trump, US-Präsident
Verwirrung bei Trump-Gesandtem Steve Witkoff
Witkoff hatte Putin wohl so verstanden, dass sich Russland aus Saporischja und Cherson zurückziehen könnte, im Gegenzug zu einem ukrainischen Rückzug aus den Regionen Luhansk und Donezk (die Russland zwar annektiert, aber nicht vollständig besetzt hat).
Dass der Kreml bereit ist, besetzte Gebiete aufzugeben, erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich.
Wohin der Stiefel eines russischen Soldaten tritt, das gehört uns.
Wladimir Putin, Präsident Russlands im Juni
Dementsprechend irritiert reagierten europäische Vertreter, als sie vom angeblichen Angebot erfuhren - bis Witkoff schließlich zurückruderte.
Putins Rückkehr auf die politische Weltbühne
All das - und dass die Ukraine bei faktischen Gebietsabtretungen wichtige Verteidigungslinien im Donbass aufgeben müsste - scheint Trump wenig zu kümmern.
Immerhin: Nach den Gesprächen am Mittwoch zwischen Trump, Wolodymyr Selenskyj und europäischen Verbündeten trat man rhetorisch geeint auf. Doch klar ist auch, dass diese Einigkeit von kurzer Dauer sein kann.
Während Europa sorgenvoll Richtung Alaska blickt, kehrt Putin zurück auf die politische Weltbühne - eingeladen und empfangen vom US-Präsidenten persönlich.
Wladimir Putin führt Trump seit Monaten vor
Es ist nicht das erste Mal, dass es Putin gelingt, den US-Präsidenten dorthin zu manövrieren, wo er ihn haben will. Mehrfach drohte Trump mit einem Rückzug aus den Friedensbemühungen - bis Putin direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul anbot.
Die Delegation, die der Kremlchef schickte, blieb drittklassig, und Putin bei seinen Maximalforderungen. Allein: Für Trump war das offenbar nebensächlich. Er konnte vermeintliche Fortschritte verkünden, während Russland in der Ukraine Gelände gewann.
Gipfel-Treffen in Helsinki 2018: Für Donald Trump ein Fiasko
Bereits das erste Treffen der beiden Präsidenten endete für Trump im Fiasko. 2018 in Helsinki nahm der US-Präsident das Wort Putins für bare Münze: "Er hat gesagt, dass er sich auf keinen Fall in unsere Wahlen eingemischt hat."
Trump stellte damit Putins Aussage über US-Geheimdienstberichte zur russischen Einflussnahme im US-Wahlkampf - und ruderte später zurück.
Donald Trump über Putin: "ausgebufft" und "genial"
Dem Verhältnis der beiden schadete das jedoch nicht. Putins Anerkennung der sogenannten "Volksrepubliken" im Donbass, kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, nannte der US-Präsident "ausgebufft" und "genial".
Schon 2013 als Trump einen "Miss Universe"-Wettbewerb in Moskau durchführte, lechzte er nach Putins Aufmerksamkeit. Auf damals noch Twitter (heute X) sinnierte er, ob Putin wohl zum Wettbewerb erscheine: "Und wenn er das tut, wird er mein neuer bester Freund?"
Gipfel in Alaska: kaum schlechte Optionen für Putin
Der Alaska-Reise dürfte Putin nicht nur deshalb entspannt entgegenblicken. Geht Trump auf seine Forderungen ein, wäre dem Kremlchef der nächste Coup gelungen. Die Kämpfe könnte er später immer noch fortführen.
Und selbst ohne eine Einigung hätte Putin wenig zu verlieren. Die Sanktionsdrohung Trumps hat seit der letzten verstrichenen Frist an Drohpotenzial verloren. Russlands Truppen könnten in der Ukraine weiterkämpfen und (wie zuletzt) Gelände gewinnen. Würde Trump ein Scheitern der Friedensbemühungen der Ukraine anlasten, wäre der Triumph des Kreml perfekt. Nicht ausgeschlossen, dass Trump und Putin tatsächlich noch beste Freunde werden.
Felix Klauser berichtet über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
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