Notfallpflegerin in Gaza:"Es braucht einen Waffenstillstand, jetzt"
Die israelische Offensive in Gaza-Stadt zwingt Hunderttausende zur Flucht. Eine Notfallpflegerin von Ärzte ohne Grenzen berichtet über die katastrophale Lage vor Ort.
Die Lage sei katastrophal, berichtet Notfallpflegerin Katja Storck von "Ärzte ohne Grenzen" aus dem Gazastreifen. Es gebe keine stabile Infrastruktur, um Patienten zu versorgen.
29.09.2025 | 9:58 minWährend die Welt darauf wartet, dass ein tragfähiger Friedensplan für den Nahen Osten steht, wird die Situation für die Menschen im Gazastreifen immer schlechter. Viele sind gezwungen, aus Gaza-Stadt zu fliehen.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat ihre Arbeit in Gaza-Stadt unterbrochen: Die Gefahr für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei wegen der israelischen Angriffe zu groß. Krankenhäuser sind zerstört, Medikamente fehlen, Ärztinnen und Ärzte operieren unter oft lebensgefährlichen Bedingungen - Hilfsorganisationen schlagen Alarm.
Wie es um die medizinische Versorgung steht, berichtet Notfallpflegerin Katja Storck von Ärzte ohne Grenzen im Interview mit ZDFheute live. Sie ist in Deir al-Balah in der Mitte des Gazastreifens im Einsatz.
Sehen Sie oben das ganze Interview und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Storck dazu, ...
... wie sehr sich die Situation in Gaza verschlechtert hat
Die Notfallpflegerin ist zum zweiten Mal dieses Jahr im Einsatz im Gazastreifen. Im Mai habe es zumindest Hoffnung auf einen Waffenstillstand gegeben. Heute sei davon nichts mehr zu spüren. Die Zahl der Patientinnen und Patienten sei durch die neue Bodenoffensive im Norden stark gestiegen. Es gebe kaum noch genug Hilfsgüter. Jeden Tag müsse neu kalkuliert werden, wie lange die Vorräte reichen, so Storck.
Oft müssen wir auf Alternativen zurückgreifen, die wir eigentlich nicht verwenden möchten.
Katja Storck, Ärzte ohne Grenzen
Viele kämen mit schlecht versorgten Verletzungen, schweren Infektionen und deutlicher Mangelernährung - vor allem die Anzahl dieser Patienten hat laut Katja Storck wieder zugenommen. Die Menschen seien vollkommen verzweifelt. Viele schleppten sich mit ihren letzten Kräften zu Fuß oder, wer es sich leisten könne, mit einem Eselskarren zum Krankenhaus. Oft allein, da sie ihre ganze Familie verloren haben.
U-Präsident Trump empfängt heute den israelischen Premier Netanjahu im Weißen Haus. Beide wollen über ein Ende des Gaza-Kriegs sprechen. Elmar Theveßen mit den Einzelheiten.
29.09.2025 | 1:34 min... wie sie und ihr Team es schaffen, trotz der extremen Belastung weiterzumachen
Besonders beeindruckt zeigt sich die Notfallpflegerin von ihren palästinensischen Kolleginnen und Kollegen, die selbst unter äußerst schwierigen Bedingungen lebten und dennoch täglich mit großer Motivation zur Arbeit kämen. Viele von ihnen seien in Zelten untergebracht und lebten seit zwei Jahren in ständiger Angst. Täglich würden sie mit Leid und Verlust konfrontiert, berichtet sie.
Dass wir Patienten nicht retten können, macht jeden traurig und betroffen, gerade wenn es sich um Kinder handelt oder um Patienten, die viele Wochen bei uns waren.
Katja Storck, Ärzte ohne Grenzen
Trotz der dramatischen Umstände vor Ort, versuche das Team, sich auf die Hilfe zu konzentrieren, die es leisten könne. Die Arbeit gebe ihnen Halt - auch wenn sie wüssten, dass sie nicht alle retten könnten, sei jeder gerettete Mensch ein kleiner Hoffnungsschimmer inmitten der Katastrophe.
Israels Armee hat fast alle Fluchtrouten aus Gaza in den Süden geschlossen. Für die verlassenen Gebiete im Norden plant ein israelischer Minister bereits den Bau von Immobilien.
19.09.2025 | 2:30 min... was die Menschen in Gaza jetzt brauchen
Auf die Frage, was sie von Gesprächen wie dem zwischen US-Präsident Donald Trump und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erwarte, antwortet Storck:
Es braucht einen Waffenstillstand jetzt, nicht in ein paar Tagen, nicht in einer Woche, nicht in einem Monat.
Katja Storck, Ärzte ohne Grenzen
Daneben brauche es die uneingeschränkte Einfuhr von Hilfsgütern, medizinischen Gütern und Nahrungsmitteln. Selbst dann werde es noch Wochen und Monate dauern, um die Menschen ausreichend zu versorgen und schwere Verletzungen angemessen behandeln zu können, berichtet die Notfallpflegerin.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderatorin Jessica Zahedi. Zusammengefasst haben es Linnea Klingler und Chiara Raber.