Zwei Jahre nach dem Hamas-Angriff:Israelis und Palästinenser - Zwischen Trauma und Krieg
Eine ehemalige Geisel, die nicht wirklich frei kommt. Eine Neunjährige, die verhungert. Israelis und Palästinenser gefangen zwischen Trauma und Krieg. Gibt es Hoffnung auf Frieden?
Zum zweiten Jahrestag des mörderischen Hamas-Angriffs auf Israel blickt die auslandsjournal-Doku auf die zerstörerischen Folgen des Konfliktes für Israelis und Palästinenser.
02.10.2025 | 31:01 minIn der schwülen Abendhitze von Tel Aviv sucht Keith Siegel einen Weg über den Platz der Geiseln. Tastend, vorsichtig - als fühlte er sich auch hier, wo sie ihn anlächeln und umarmen, nicht sicher.
484 Tage lang hat die Hamas ihn als Geisel festgehalten, ihn gefoltert, ausgehungert. Seit gut sieben Monaten ist er frei. Aber ein Teil von ihm, sagt er, sei immer noch in Gaza. 48 Geiseln hält die Hamas dort noch fest, zwanzig davon sind möglicherweise noch am Leben.
Die Tatsache, dass ich freigelassen wurde und sie weiterhin in Gefangenschaft sind, ist etwas, womit ich sehr, sehr schwer zurechtkomme.
Keith Siegel, ehemalige Hamas-Geisel
Vor zwei Jahren überfiel die Hamas Israel – mehr als 1.200 Menschen wurden getötet, über 250 als Geiseln verschleppt. Der 7. Oktober bleibt Israels dunkelster Tag.
07.10.2025 | 1:14 minAussicht, dass Geiseln freikommen könnten, elektrisiert Israel
Keith Siegel hofft verzweifelt darauf, dass die Verhandlungen in Ägypten erfolgreich sein werden und die Kämpfe in Gaza zu Ende gehen. "Nur sehr wenige Geiseln wurden durch militärische Maßnahmen gerettet", betont er.
Militärische Maßnahmen gefährden die Geiseln.
Keith Siegel, ehemalige Hamas-Geisel
Die Aussicht, dass alle Geiseln bald freikommen könnten, elektrisiert Israel. Aber alle bleiben vorsichtig, skeptisch. Zu oft schon ist ein Waffenstillstand gescheitert, der eigentlich schon fast ausverhandelt schien.
Zwei Jahre nach dem Hamas-Angriff erinnert Israel an die Opfer und die verschleppten Geiseln – während in Ägypten weiter über eine mögliche Einigung verhandelt wird.
07.10.2025 | 2:00 minVor Freilassung Einigung auf die Personalien
Damit die Geiseln freikommen, müssen sich Israel und die Hamas erst auf die Namen jener palästinensischen Gefangenen einigen, die im Gegenzug freikommen sollen. Der Plan von US-Präsident Donald Trump sieht vor, dass darunter 250 sind, die in Israel wegen schwerer Attentate zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden.
Das ist eine erhebliche Zahl. Insgesamt soll es in Israel nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen 300 bis 600 Palästinenser mit lebenslangen Haftstrafen geben.
Während in Israel den Opfern des Terroranschlages gedacht wird, laufen in Ägypten die Friedensgespräche mit der Hamas. Thomas Reichart mit einer Einschätzung.
07.10.2025 | 1:15 minMarwan Barghouti offenbar ganz oben auf Liste
Wer da auf palästinensischer Seite genau frei kommt, hat hohe Symbolkraft. Ganz oben auf der Liste der Hamas steht offenbar Marwan Barghouti. Er gehört nicht zur Hamas, sondern zur Fatah von Palästinenserpräsident Abbas.
phoenix tagesgespräch mit Steffen Seibert (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel) anlässlich des Jahrestages des Hamas-Überfalls auf Israel
07.10.2025 | 6:23 minSeit Jahren gilt er den Palästinensern als dessen möglicher Nachfolger und als Symbolfigur, die die Menschen im Westjordanland und in Gaza, die vielen palästinensischen Fraktionen, einen könnte. Genau deshalb wird der israelische Premier Benjamin Netanjahu sich schwer tun, diesem Namen zuzustimmen. Eine Einigung der Palästinenser mit Blick auf eine Zwei-Staaten-Lösung ist nicht in seinem Interesse.
Neunjährige von Krieg und Hunger ausgezehrt
Derweil sind Hunderttausende aus der Stadt Gaza geflüchtet vor den Angriffen von Israels Armee. Die hat inzwischen zwar ihren Vormarsch am Boden gestoppt. Aber die Angriffe aus der Luft gehen trotz der Verhandlungen in Ägypten weiter.
Heute gibt es in Deutschland zahlreiche Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an die Opfer und Geiseln des 7. Oktobers 2023. Unter anderem auch in Berlin.
07.10.2025 | 1:52 minNesma Ayda kann nicht flüchten. Sie bangt um ihre Tochter Jana. Seit zwei Monaten sitzt sie Tag für Tag an ihrem Bett in einem Krankenhaus in der Stadt Gaza. Jana bekommt inzwischen Sauerstoff. Neun Jahre sei sie alt, sagt ihre Mutter, und wiege nur noch elf Kilo.
Früher war sie wie jedes andere Kind - gesund, mit normalem Gewicht und normaler Ernährung.
Nesma Ayda, Mutter der neunjährigen Jana
Aber Krieg und Hunger hätten sie sehr geschwächt, sagt Ayda. Es gehe ihr nun immer schlechter.
Ärzte beklagen Mangel an Hilfsgütern
Was Jana retten könnte, kommt nach wie vor nicht nach Gaza. Israel lasse viel zu wenig Hilfslieferungen in den Gazastreifen, sagen die Ärzte.
Ein Truppenrückzug wäre ein "großer Kompromiss" für Netanjahu, "der sogar seine Regierung gefährden könnte", so Korrespondent Thomas Reichart mit Blick auf die Gaza-Verhandlungen.
06.10.2025 | 2:24 minMitte August erklärte ein international anerkanntes Expertengremium der UN: Im Bezirk Gaza-Stadt herrsche eine Hungersnot. In der Ecke kauern Janas Geschwister. Bangen um ihre kleine Schwester. Und um ihre Mutter, die verzehrt wird von Angst und Sorge.
Für Jana kommt jede Hilfe zu spät
Bei den Verhandlungen in Ägypten geht es auch darum, dass viel mehr Hilfslieferungen auch mit Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln nach Gaza kommen. Die Vereinten Nationen sollen wieder dafür verantwortlich sein, anstelle des privaten US-Unternehmens GHF (Gaza Humanitarian Foundation).
Mit dem Beginn der Gespräche über Donald Trumps Friedensplan für Gaza wachsen die Hoffnungen auf ein Ende des Konflikts. Golineh Atai ordnet die Verhandlungslage ein.
06.10.2025 | 1:16 minIn Gaza hoffen sie darauf, dass dann die akute Unterversorgung, der Hunger, vorbei sein könnten. Für Jana wird diese Hilfe zu spät kommen. Sie starb zwei Tage nach unseren Dreharbeiten im Krankenhaus in Gaza-Stadt.