Israel-Kritik: Woher kommt die neue Deutlichkeit, Herr Klein?

Kritik an Israels Regierung:Woher kommt die neue Deutlichkeit, Herr Klein?

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Kanzler Merz kritisiert Israels Gaza-Einsatz ungewohnt scharf. Auch der Antisemitismusbeauftragte nennt das Vorgehen "völkerrechtswidrig" - und erklärt die neuen Töne aus Berlin.

SGS Klein Hayali
Deutschland habe besondere Verantwortung für Israels Sicherheit, aber keine Verpflichtung, den Handlungen der israelischen Regierung ohne Wenn und Aber zuzustimmen, so Klein. 26.05.2025 | 6:04 min
In der deutschen Politik mehren sich die Stimmen, die das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen offen kritisieren. Ungewöhnlich deutlich positionierte sich am Montag Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) - mit Worten, die in ihrer Schärfe überraschten.

Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen [...], lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Klingbeil im Anzug mit SPD-Logo auf Leinwand im Hinergrund
Nach Kanzler Merz hat auch SPD-Chef Klingbeil die israelische Regierung kritisiert. Durch die anhaltende Militäroffensive werde der "völkerrechtliche Maßstab" verletzt, sagte er.27.05.2025 | 0:28 min
Schon am Vorabend hatte CDU-Außenpolitiker Armin Laschet Israel Völkerrechtsverstöße vorgeworfen, auch Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte sich geäußert.
Am Montagabend stellte sich dann auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hinter diese Linie. Über das Leid, welches die Menschen in Gaza erfahren müssen, sagte Felix Klein:

Das ist völkerrechtswidrig.

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter

 A humanitarian aid truck drives along Al Rashid road into Gaza City, 25 May 2025.
Israel hat diese Woche die dreimonatige Blockade für Hilfsgüter beendet - die Bodenoffensive wird jedoch fortgesetzt. Allein am Wochenende sollen insgesamt 23 Menschen ums Leben gekommen sein.25.05.2025 | 0:24 min

Klein appelliert an Verantwortung Deutschlands

Zwar habe Deutschland eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels, betont Klein, der das Amt 2018 unter Angela Merkel (CDU) übernommen hatte. Doch das bedeute nicht, "dass wir eine Verpflichtung haben, ohne Wenn und Aber den Handlungen der israelischen Armee und der Regierung zuzustimmen".
Dass sich die Bundesregierung nun so klar positioniert, wird von Beobachtern als ungewöhnlicher Schritt und mögliches Umdenken gewertet. Der Begriff der "Staatsräson", einst von Merkel bis heute als politischer Leitsatz im Umgang mit Israel geprägt, wird von Klein im heute journal in seiner Deutung hinterfragt:

Wir müssen erstmal noch mal über diesen Begriff Staatsräson sprechen. Was bedeutet das konkret?

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter

Schaltgespräch zwischen Thomas Röwekamp und Nazan Gökdemir
Das Völkerrecht gebiete auch in einer Kriegssituation, humanitäre Hilfe zu leisten. Dagegen habe Israel verstoßen, so der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Röwekamp (CDU).26.05.2025 | 4:16 min
Eine Einordnung liefert der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp, im heute journal update: Die Staatsräson bedeute, "dass wir die Sicherheit Israels garantieren und uns an die Seite Israels überall da stellen, wo Israel als Staat angegriffen wird."

Sie bedeutet aber nicht kritikloser Umgang mit jedweder Regierung und jedem Regierungshandeln in Israel.

Thomas Röwekamp, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses

Umgang mit israelischer Regierung: Warum erfolgt nun ein Umdenken?

Noch vor wenigen Monaten hatte Klein als Antisemitismusbeauftragter andere Töne angeschlagen: Donald Trumps Idee einer "Riviera des Nahen Ostens" etwa - die de-facto-Deportation der Bevölkerung aus dem Gazastreifen - stieß bei ihm nicht auf sofortige Ablehnung. Heute stellt er klar: "Eine Vertreibung habe ich niemals gebilligt und würde auch jetzt noch mal ganz klar sagen."
US-Präsident Donald Trumps Rede am 05.02.25
US-Präsident Trump hattet zuletzt mit seinen Aussagen zur Zukunft des Gazastreifens Aufsehen erregt. Er will das Gebiet "in Besitz nehmen" und die etwa zwei Millionen Bewohner in Nachbarländer umsiedeln.05.02.2025 | 2:45 min
Die nun geäußerte Kritik aus Reihen der Union an der militärischen Vorgehensweise der israelischen Regierung begründet Klein mit der neuerlichen Offensive im Gazastreifen. In Israel werde inzwischen offen über Vertreibung gesprochen, über die Besetzung von Gebieten. Zudem werde "offen von führenden Mitgliedern der israelischen Regierung infrage gestellt, dass [...] die Bevölkerung ausreichend Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln hat."
Die Lage habe sich zugespitzt, das sei nun "besonders so", sagt Klein als Antwort auf den Einwand, dass viele dieser Punkte nicht neu seien.
Zudem verweist er auf die Rolle der europäischen Partner: In der Europäischen Union sei man mit der Kritik "ja nicht alleine". Am besten sei es "ja immer, wenn Deutschland im Geleitzug mit den anderen europäischen Partnern auch auftritt". So hatte etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Vorgehen der israelischen Regierung bereits zuletzt scharf verurteilt.
Benjamin Netanjahu
Frankreich, Großbritannien und Kanada haben Israel wegen der "unverhältnismäßigen" Eskalation im Gazastreifen kritisiert. Die Staats- und Regierungschefs sprachen eine Warnung aus.20.05.2025 | 0:29 min

Klein: Israel muss Völkerrecht wahren

Nun folgt auch Berlin mit Kritik - eine Kritik, die Felix Klein zufolge nicht leichtfällt. "Wir haben eine besondere Verantwortung für die Existenz Israels", bekräftigt der Antisemitismusbeauftragte. "Deswegen ist es besonders schwer [...] [und] angezeigt, dass wir uns zurückhalten, gerade wenn Israel sein Existenzrecht selbst verteidigt", sagt Klein und betont:

Auslöser dieses Krieges [...] ist der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Und hier hat Israel jedes Recht, seine Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu verteidigen.

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter

Demnach spreche er sich zwar gegen ein Waffenembargo aus, betont jedoch zugleich: "Aber auch bei der Wahrung dieses Selbstverteidigungsrechtes sind eben die Grenzen des Völkerrechts zu beachten."
Das Interview mit Felix Klein führte Dunja Hayali, ausgewertet hat es Christian Harz.

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