Russland arbeitet sich in der Ukraine vor: Pokrowsk unter Druck
Analyse
Putins Truppen arbeiten sich vor:Verteidigung von Pokrowsk droht zusammenzubrechen
von Christian Mölling und András Rácz
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Während die Ukraine bei den russischen Luftangriffen zwischenzeitlich kurz aufatmen konnte, rücken Putins Bodentruppen Schritt für Schritt vor. In Pokrowsk spitzt sich die Lage zu.
Russland greift weiter ukrainische Städte mit Drohnen an. Auch die Ukraine schießt auf Russland, nach russischen Angaben seien mindestens 14 Drohnen über Moskau abgefangen worden.20.07.2025 | 1:32 min
Auch in dieser Woche haben sich die russischen Truppen in der Ukraine weiter vorgearbeitet. Im südlichen Teil des Donbass gelang es dem ukrainischen Militär nicht, den russischen Vormarsch westlich des Flusses Mokri Jaly zu stoppen. Die drei ukrainischen Brigaden, die diesen Abschnitt verteidigten, zogen sich zwar weitgehend geordnet zurück, sodass Russland sie nicht einkreisen konnte. Doch die Frontlinie ist nicht stabilisiert.
Im Laufe der Woche eroberte Russland die Dörfer Nowochatskoje, Tolstoi und einen Teil von Zeleni Hay und rückte entlang der Autobahn nach Pokrowsk weiter nach Westen vor. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ukrainer versuchen werden, weiter westlich entlang des Flusses Wowtscha eine dauerhafte Verteidigungsstellung aufzubauen.
Zentrale Versorgungsroute in Pokrowsk in Gefahr
Bei Pokrowsk gelang es den Russen, den Bach Kasennyj Torez bei Razine zu überqueren und weiter nach Westen vorzustoßen, wo sie sich Chervonyi Lyman nähern. Das bedeutet, dass die Hauptversorgungsroute nach Pokrowsk, die durch Rodynske führt, nicht nur von russischer Artillerie, sondern auch von FPV-Drohnen unter ständigem Beschuss stehen wird.
Ukraines Präsident Selenskyj hat Russland neue Verhandlungen über eine Waffenruhe vorgeschlagen. In einer ersten Reaktion signalisierte Russland Gesprächsbereitschaft.20.07.2025 | 0:21 min
Das wird die Versorgungslage in Pokrowsk erheblich erschweren. Das gilt umso mehr, da eine weitere Versorgungsroute, die Autobahn E50, seit langem unter russischem Beschuss steht: Bei Kotlyne sind die russischen Truppen nur noch etwa drei bis vier Kilometer von dieser Straße entfernt. Wenn es der Ukraine nicht gelingt, hier einen größeren Gegenangriff zu starten und die russischen Streitkräfte deutlich zurückzudrängen, könnte die Verteidigung von Pokrowsk und Myrnohrad aufgrund logistischer Probleme bald unhaltbar werden.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Russische Luftangriffe während US-Besuch ausgesetzt
Russlands Luftangriffe auf die Ukraine setzten indes für die beiden Nächte aus, die der US-Gesandte Keith Kellogg in Kiew verbrachte. Nach seiner Abreise nahm Moskau die Angriffe wieder auf. Pawlohrad und Odessa wurden schwer getroffen, vor allem durch Drohnenangriffe, die Wohngebäude und auch Industrieanlagen beschädigten.
Ukrainische Rekrutierungszentren im Visier Moskaus
Auch ukrainische Rekrutierungsinfrastrukturen hat es Russland auch weiterhin abgesehen. Ein Rekrutierungszentrum in Pjatychatky in der Nähe von Dnipro wurde getroffen, wobei mindestens zwei Menschen getötet wurden.
Die Ukraine kann beim Wiederaufbau mit weiteren Milliardenhilfen der europäischen Verbündeten rechnen. In Odessa haben Luftangriffe zahlreiche Häuser zerstört, Gebäude verfallen.11.07.2025 | 2:26 min
In den letzten Wochen wurden auch Rekrutierungszentren in Odessa, Winnyzja, Ternopil und auch an anderen Orten getroffen. Es ist ein offensichtlicher Versuch Russlands, den bereits gravierenden Personalmangel der Ukraine durch Angriffe auf die Rekrutierungsinfrastruktur weiter zu verschärfen.
Australien stellt Kiew Abrams-Panzer zur Verfügung
Die australische Regierung gab derweil bekannt, dass "die meisten" der Kiew angebotenen M1A1-Panzer bereits in der Ukraine sind. Der Rest soll demnach in den kommenden Monaten geliefert werden. Die Ukraine hatte ab Ende 2023 ursprünglich 31 Abrams-Panzer von der US-Regierung unter Joe Biden erhalten. Nach öffentlich zugänglichen Informationen wurden bisher 20 bis 22 davon zerstört oder beschädigt und aufgegeben. Mindestens einer davon wurde erbeutet und später in Russland ausgestellt.
Tief unter der Erde fertigen Ukrainer Ersatzteile für westliche Artillerie und verbessern Drohnen. So spart die Ukraine Zeit und Geld - und liefert Europa Erkenntnisse im Krieg.11.07.2025 | 2:03 min
Die zusätzlichen 49 Abrams-Panzer aus Australien dürften daher einen wesentlichen Beitrag zur Flotte moderner westlicher Panzer der Ukraine leisten. Allerdings müssen alle australischen Panzer umfangreich modifiziert werden, darunter die Anbringung von Anti-Drohnen-"Käfigen" und reaktiver Panzerung. So haben die Panzer bessere Überlebenschancen als die des ersten Abrams-Kontingents.
Allerdings war in der Vergangenheit auch keiner der Abrams-Panzer nach einem Treffer explodiert, sondern ausgebrannt, wie verfügbare Bilder zeigen. Offene Luken deuten darauf hin, dass die Besatzungsmitglieder in den meisten Fällen lebend aussteigen konnten - anders als bei vielen russischen Panzerbesatzungen. Bereits die erste Panzer-Lieferung bot den Besatzungsmitgliedern also viel bessere Überlebenschancen als alle postsowjetischen Modelle.
Um verteidigungsfähig zu bleiben, bräuchte die Ukraine mehr als nur Patriot-Systeme, erklärt Oberst Reisner. Kiew müsse Verteidigungsschwerpunkte setzen. 17.07.2025 | 22:22 min
Kiews erschöpfte Luftverteidigung bleibt vorerst Problem
Unterdessen wird das von Deutschland versprochene Patriot-System frühestens in sechs bis acht Monaten geliefert werden. Sofern das norwegische System nicht schneller geliefert werden kann, muss die Ukraine für den Rest des Jahres mit ihrer derzeitigen, erschöpften Verteidigung Russlands ballistischen und Hyperschallraketen standhalten.
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diskutierten auch die Möglichkeit, weitere SAMP/T-Luftabwehrsysteme in die Ukraine zu liefern, aber bisher wurden keine Details bekanntgegeben.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.