Palästinensische Autonomiebehörde: Welche Rolle spielt sie?

FAQ

Palästinensische Gebiete:Welche Rolle spielt die Autonomiebehörde?

von Britta Spiekermann und Jordan Grawenhoff
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Frankreich und andere Länder wollen Palästina als Staat anerkennen. Verhandlungspartner könnte die Palästinensische Autonomiebehörde sein. Ihre Entwicklung und Rolle im Überblick.

Archivbild: Gebäude der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah
Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah (Archivbild)
Quelle: Imago

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, sein Land werde Palästina als Staat anerkennen, andere Länder wie Großbritannien und Kanada stellen das ebenfalls in Aussicht. Kann die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) überhaupt Verhandlungspartner sein? Ein Überblick über die Institution.

Wie entstand die Palästinensische Autonomiebehörde?

Die Palästinensische Autonomiebehörde ("Palestinian National Authority") ist eine Übergangsregierung, die 1994 im Rahmen der Oslo-Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegründet wurde. Sie sollte zunächst fünf Jahre lang Teile des Westjordanlandes und des Gazastreifens verwalten, letztlich mit dem Ziel eines souveränen palästinensischen Staates.
Unterzeichnung des Oslo Friedensabkommens 1993
Von links: Israels Premier Jitzak Rabin, ein Berater, US-Präsident Bill Clinton, Israels Außenminister Schimon Peres, PLO-Chef Jassir Arafat bei der Unterzeichnung des Oslo-Friedensabkommens 1993.
Quelle: epa

Welche Gebiete kontrolliert die PA?

Die PA hat seit ihrer Gründung im Jahr 1994 formell Zuständigkeiten auch für den Gazastreifen, de facto beherrscht sie diesen jedoch seit 2007 nicht mehr, da die radikalislamische Hamas dort die tatsächliche Kontrolle übernommen hat. Nach den palästinensischen Parlamentswahlen 2006 und den darauffolgenden Machtkämpfen zwischen der Hamas und der gemäßigteren Palästinenserorganisation Fatah kam es im Juni 2007 zu offenen bewaffneten Auseinandersetzungen ("Bruderkrieg"). Die Hamas setzte sich durch und kontrolliert seitdem den Gazastreifen.
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Derzeit übt die Palästinensische Autonomiebehörde in Teilen des Westjordanlandes (Area A) die vollständige Kontrolle aus, in Area B hat sie die zivile Verwaltungshoheit und zusammen mit Israel die Sicherheitsverantwortung (militärisch-polizeiliche Hoheit), während Area C vollständig von Israel kontrolliert wird.
Die Karte zeigt die Aufteilung des Westjordanlandes in drei "Areas" und wer diese jeweils kontrolliert.
Die Karte zeigt die Aufteilung des Westjordanlandes in drei "Areas" und wer diese jeweils kontrolliert.
Quelle: ZDF

In den Friedensverhandlungen von Oslo Anfang der 1990er Jahre wurde eine Autonomieregelung für den Gazastreifen sowie für Teile des Westjordanlandes vereinbart. Das Küstengebiet sowie das ebenfalls noch von Israel besetzte Westjordanland sollten den Vereinbarungen zufolge das Territorium eines künftigen Staates Palästina bilden. So nahm die Palästinensische Autonomiebehörde 1994 dann auch offiziell ihre Amtsgeschäfte auf.

Die Friedensbemühungen sind von zahlreichen Rückschlägen geprägt. Die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzak Rabin durch einen jüdischen Extremisten im November 1995 hatte weitreichende Auswirkungen. Bei der darauffolgenden Wahl unterlag der Rabin-Nachfolger Schimon Peres dem Herausforderer Benjamin Netanjahu. Seine Wahl markierte einen Wendepunkt im israelisch-palästinensischen Friedensprozess, Netanjahu war und ist bis heute ein erklärter Gegner einer Zweistaatenlösung. Quelle: AFP, ZDF

Wie ist die Struktur der PA und wer leitet sie?

Die PA ist eine semi-präsidiale Übergangsverwaltung mit einem Präsidenten, der zugleich oberster Exekutivbeamter ist, und einem Premierminister, der vom Präsidenten ernannt wird und das Kabinett führt.
Derzeit ist Mahmud Abbas (89) der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, dieses Amt hat er seit Januar 2005 inne. Als potenzieller Nachfolger gilt der 64-jährige Hussein al-Scheich, der seit April der Stellvertreter von Abbas ist.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Archivbild
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (Archivbild)
Quelle: Majdi Mohammed/AP/dpa/Archivbild

Abbas äußerte sich wiederholt relativierend zum Holocaust. Er gilt nicht zuletzt aufgrund seiner Publikationen auch als Holocaust-Leugner. Am 16. August 2022 hatte Abbas auf einer Pressekonferenz in Berlin mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz das israelische Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung seit 1947 mit dem Holocaust verglichen.
Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde ist seit März 2024 Mohammad Mustafa. Er wurde von Abbas ernannt, war lange dessen Wirtschaftsberater. Zuvor arbeitete er bei der World Bank Group in Washington. Mustafa ist auch Außenminister der PA.
Der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Mustafa bei einer Konferenz in New York am 28. Juli 2025.
Der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Mustafa bei einer UN-Konferenz in New York am 28. Juli 2025
Quelle: AFP

Auf einer UN-Konferenz für eine Zweistaatenlösung forderte Mustafa, die Hamas müsse die Kontrolle abgeben und ihre Waffen der Autonomiebehörde aushändigen.
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Welche Positionen mit Blick auf eine Zweistaatenlösung vertritt die PA?

Die Palästinensische Autonomiebehörde will eine Zweistaatenlösung. Laut Präsident Abbas ist die Autonomiebehörde nach dem Krieg bereit zur Übernahme der "vollen Verantwortung" im Gazastreifen. Im Zuge einer Zweistaatenlösung beansprucht die PA auch das gesamte Westjordanland und Ostjerusalem.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) erklärte bei seinem jüngsten Treffen mit Abbas, die Autonomiebehörde sei aus Sicht der Bundesregierung "die einzige anerkannte Vertretung palästinensischer Interessen" und solle auch in den Gazastreifen zurückkehren.

Welche Probleme und Kritik bestehen?

Terrorunterstützung, autokratischer Führungsstil, Korruption, mangelnde Transparenz und Unterdrückung der Meinungsfreiheit werden der Palästinensischen Autonomiebehörde vorgeworfen. Präsident Abbas regiert weitestgehend ohne demokratische Legitimation. 2005 fand die letzte Präsidentschaftswahl statt, 2006 die letzte Parlamentswahl. Die Palästinensische Autonomiebehörde regiert zunehmend durch Dekrete.
Die PA ist wirtschaftlich abhängig von internationaler Hilfe, etwa von der EU, den USA und arabischen Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.
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Wie ist die internationale Stellung der PA?

Die PA vertritt die palästinensische Bevölkerung auf internationaler Ebene. Die PA ist, wenn sie sich reformiert, für viele internationale Akteure eine potenzielle Verwaltungsinstanz beim Wiederaufbau Gazas. Zahlreiche Länder knüpfen eine diplomatische Anerkennung an die Bereitschaft der PA zu Demokratie und Transparenz.
Am 31. Juli 2025 haben die USA Sanktionen gegen die PA und gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) verhängt. Der Vorwurf: Beide Organisationen unterstützten Terrorismus. Offiziellen Vertretern soll die Einreise in die Vereinigten Staaten künftig untersagt werden.

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