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Kanzlerwahl mit Verlängerung:Ein Tag für die Geschichtsbücher
von Stefanie Reulmann
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CDU-Chef Friedrich Merz wird Bundeskanzler, scheitert aber im ersten Wahlgang. Ein historischer Vorgang. Was ist passiert?
Es sollte ein besonderer Tag für Friedrich Merz werden, vielleicht der wichtigste in seiner politischen Karriere. Im Vorfeld hatte er sich zuversichtlich gezeigt, dass er die Wahl zum 10. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland im ersten Wahlgang schaffen wird. Doch es kommt anders.
Merz scheitert im ersten Wahlgang
Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner um kurz nach 10 Uhr das Ergebnis des ersten Wahlganges verkündet, gibt es eine Überraschung. Friedrich Merz hat die erforderliche Mehrheit von 316 Stimmen im ersten Wahlgang nicht bekommen. Von 630 Abgeordneten haben nur 310 für ihn gestimmt, 307 dagegen, 3 haben sich enthalten.
Der Vorgang ist ein Novum in der Geschichte. Bisher sind alle neun Bundeskanzler vor Friedrich Merz im ersten Wahlgang gewählt worden. Ihm haben jedoch 18 Abgeordnete von insgesamt 328 aus dem schwarz-roten Lager die Zustimmung verweigert. Wer die Abgeordneten sind, ist offen.
Vor gut zwei Monaten berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Berufung auf eine eigene Umfrage, dass mindestens acht SPD-Bundestagsabgeordnete sich nicht vorstellen können, CDU-Chef Friedrich Merz zum Kanzler zu wählen.
Union und SPD zeigten sich nach der Abstimmung jedoch gleichermaßen überzeugt, dass ihre Reihen geschlossen stehen.
Denkzettel für Merz und Klingbeil?
Ist der Ausgang des ersten Wahlgangs dennoch ein Denkzettel für Friedrich Merz? Er hat wesentliche Wahlversprechen über Bord geworfen und damit auch in den eigenen Reihen viele vor den Kopf gestoßen.
Indirekt könnte die Wahlschlappe von Friedrich Merz auch ein Denkzettel für Lars Klingbeil sein, den Partei- und Fraktionschef der SPD. Kurz nach der krachenden Wahlniederlage der SPD bei der Bundestagswahl hatte Klingbeil gleich den nächsten Schritt auf der Karriereleiter genommen und den Fraktionsvorsitz übernommen. Das kam nicht bei allen gut an. Und auch bei der Besetzung der Kabinettsposten hat er viele vor den Kopf gestoßen: Hubertus Heil, Svenja Schulze und Co-Parteichefin Saskia Esken sind nicht bedacht worden.
Söder: Keine Zeit für "Spielchen"
Trotz aller Enttäuschungen sei die Kanzlerwahl aber nicht die Zeit für "Spielchen" oder um einen "Denkzettel auszustellen", sagt CSU-Chef Markus Söder in München. Es gehe ums Ganze, "nicht um Einzelinteressen", sagt er. "Noch ist alles lösbar, noch ist alles heilbar." Söder appelliertd deshalb mit Blick auf den nächsten Wahlgang "an alle, in sich zu gehen".
Seine Ministerpräsidenten-Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, SPD-Politikerin Manuela Schwesig zeigte sich "sehr enttäuscht über diesen Vorgang". Sie sagte:
Ich finde das, was hier heute passiert ist, unverantwortlich.
Manuela Schwesig, SPD, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
Allein die AfD triumphierte angesichts dieses Vorgangs. Friedrich Merz habe "Wahlbetrug" begangen und sei daher "folgerichtig durchgefallen", sagt AfD-Chefin Alice Weidel.
Zweiter Wahlgang noch heute
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagt, das Ergebnis sei für ihn überraschend gekommen. Er habe mit einem Scheitern im ersten Wahlgang "nicht gerechnet", sagte er.
Ich war mir ziemlich sicher, dass das rund läuft.
Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär
Nach stundenlangen Beratungen in unterschiedlichen Konstellationen hatten sich die Fraktionen im Bundestag darauf geeinigt, noch am Nachmittag einen zweiten Wahlgang durchzuführen.
Stimmverteilung bei der Kanzlerwahl
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Und um 16.15 Uhr war es dann so weit: Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des zweiten Wahlganges bekannt gibt, macht sich Erleichterung breit. Mit 325 Stimmen ist Friedrich Merz zum 10. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
Quelle: dpa
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