Bisheriger Verteidigungsminister:Sebastien Lecornu neuer Premier Frankreichs
Er war als einer der aussichtsreichsten Kandidaten gehandelt worden - nun ist er neuer Premier: der Macron nahestehende bisherige Verteidigungsminister Sebastien Lecornu.
Sebastien Lecornu ist neuer Premierminister Frankreichs.
Quelle: afpNur einen Tag nach dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung in Frankreich hat Staatschef Emmanuel Macron den bisherigen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum Premierminister ernannt. Das teilte der Élysée-Palast mit.
Drängendste Aufgabe ist der Haushalt
Lecornu soll nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung beraten, um den dringend nötigen Haushalt auf die Beine zu stellen, hieß es. Auch Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate solle er mit ihnen treffen.
In der Mitteilung des Élysée-Palastes hieß es, erst im Anschluss solle der neue Premier seine Regierungsmannschaft vorschlagen. Sein Handeln solle unter anderem von der Verteidigung der Unabhängigkeit und der Stärke Frankreichs geleitet werden.
Der Präsident der Republik ist überzeugt, dass auf diesen Grundlagen ein Einvernehmen zwischen den politischen Kräften im Respekt der Überzeugungen eines jeden möglich ist.
Mitteilung des Élysée-Palastes
Das französische Parlament streitet um den Sparkurs des Premierministers Bayrou. Frankreich ist eines der am höchsten verschuldeten Länder in der EU. Wie kam es dazu?
08.09.2025 | 1:59 minWer ist der neuer Premier?
Der 39 Jahre alte Lecornu gilt als Vertrauter von Präsident Macron. Er ist der jüngste Verteidigungsminister in der Geschichte Frankreichs und der Architekt hinter einer umfangreichen militärischen Aufrüstung bis 2030, die auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückgeht.
Der ehemalige Konservative Lecornu, der sich 2017 Macrons Bewegung La République en Marche, wie sie damals hieß, anschloss, hatte Ämter in lokalen Behörden und Überseegebieten inne. Eine wichtige Vermittlerrolle hatte Lecornu auch bei Macrons Umgang mit der Gelbwestenbewegung, deren Proteste von gewalttätigen Krawallen überschattet waren.
Lecornu gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine krasse Ablehnung entgegenschlägt.
Kritik an Macron kommt von der Opposition
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine "letzte Kugel" abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager - das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war - eine "Provokation". Mit Jean-Luc Mélenchon und der La France insoumise (LFI) gab es auch Kritik vom linken Rand.
Macrons schnelle Ernennung dürfte nicht zuletzt eigennützige Gründe haben. Mit zwei gescheiterten Premiers in nur einem Jahr war der Präsident selbst unter Druck geraten. Die Rechtsnationalen forderten ihn auf, mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die LFI wollte ihn sogar absetzen.
Das französische Parlament hat Premier Bayrou am Montag das Vertrauen abgesprochen.
09.09.2025 | 1:53 minFrankreichs Nationalversammlung tief gespalten
Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen. Barniers Regierung hing von den Rechtsnationalen ab und scheiterte, Bayrou ließ sich erst von den Sozialisten dulden, verspielte dann aber deren Gunst.
Auch unter der neuen Regierung dürfte es ein Balanceakt werden, mit der politischen Ausgangslage zu regieren. Lagerübergreifende Koalitionen sind in Frankreich unüblich. Statt Kompromisssuche wird im Parlament eher ein Konfrontationskurs gefahren.
Momentan sieht es so aus: Der Name ist neu, das Problem bleibt. Ob Lecornu die Spaltung im Land und den Stillstand überwinden kann, ist fraglich.
Anne Arend, ZDF-Korrespondentin
Bayrou scheiterte mit Sparkurs in hochverschuldetem Frankreich
Am Montag hatte François Bayrou als Premierminister die Vertrauensfrage gestellt und sie verloren. Seine Minderheitsregierung wurde so zu Fall gebracht. Schon nach neun Monaten war seine Amtszeit damit Geschichte. Bayrou stolperte letztlich vor allem über seinen Sparhaushalt.
Präsident Macron im Dilemma: Er kann nun einen neuen Regierungschef ernennen, dem aber Rückhalt im Parlament fehlt. Neuwahlen dürften die linken und rechten Parteien stärken.
09.09.2025 | 1:35 minDas hochverschuldete Land muss seinen Sparkurs dringend festigen und einen Haushalt für das kommende Jahr verabschieden. Wie einer neuen Regierung dies angesichts der weit auseinander liegenden Positionen im gespaltenen Parlament gelingen wird, ist unklar. Sollte die Hängepartie zu lange anhalten, droht zudem, das Vertrauen an den Märkten zu sinken, was die französischen Finanzen noch stärker belasten würde. Auch in Brüssel schaut man genau auf die Haushaltslage.
Die Europäische Kommission hatte bereits im vergangenen Jahr ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung eingeleitet und befürchtet nun, dass sich die Situation angesichts der politischen Lage weiter zuspitzen könnte. Das könnte für die Eurozone zur Belastung werden.
3.300 Milliarden Euro Schulden
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. In absoluten Zahlen lastet auf dem Land mit rund 3.300 Milliarden Euro der höchste Schuldenberg in der Eurozone.
Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.
Präsident Macron im Dilemma: Er kann nun einen neuen Regierungschef ernennen, dem aber Rückhalt im Parlament fehlt. Neuwahlen dürften die linken und rechten Parteien stärken.
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Vertrauensfrage in Frankreich:Bayrou-Regierung gescheitert: Macron unter Druck
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