Irans Atomanlagen: Droht jetzt nukleare Gefahr?

Angriffe auf Atomanlagen:Iran: Droht nukleare Gefahr durch US-Bomben?

ZDFheute Update - Jan Schneider
von Jan Schneider
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Nach US-Angriffen auf Irans Atomanlagen gibt es Sorgen vor einer nuklearen Katastrophe. Doch Experten geben Entwarnung: Was über das Strahlenrisiko bekannt ist.

Ein Satellitenfoto von Maxar Technologies zeigt in Nahaufnahme Krater an der unterirdischen Urananreicherungsanlage Fordo nach den US-Luftangriffen auf den Iran.
Ein Satellitenfoto von Maxar Technologies zeigt in Krater an der unterirdischen Urananreicherungsanlage Fordo nach den US-Luftangriffen auf den Iran. (Foto: Maxar Technologies 2025)
Quelle: epa

Nach gezielten US-Angriffen auf iranische Atomanlagen stellt sich eine alte Frage mit neuer Dringlichkeit: Wie groß ist das Risiko für Mensch und Umwelt, wenn nukleare Infrastruktur bombardiert wird? Während manche an Katastrophen wie Fukushima oder Tschernobyl denken, geben Fachleute Entwarnung - zumindest, was die unmittelbare Strahlengefahr betrifft.
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Keine Reaktoren, keine Kernschmelze

Die angegriffenen Anlagen wie Fordo oder Natans sind keine Atomkraftwerke, sondern sogenannte Anreicherungsanlagen. Hier wird Uran durch Zentrifugen so aufbereitet, dass es - bei ausreichender Anreicherung - potenziell waffenfähig wäre.
Die Grafik zeigt, dass tausende Zentrifugen nötig sind, um Uran für eine Atombombe anzureichern. Iran soll einen Anreicherungsgrad von 60 Prozent erreicht haben.
Eine Explosion oder Kernschmelze, wie sie bei Tschernobyl 1986 oder Fukushima 2011 geschahen, ist in solchen Anlagen physikalisch nicht möglich. Es gibt dort keine Kettenreaktion, keine Spaltprodukte, keine kritische Masse.
Karte: Irans Atomanlagen in Fordo, Natans und Isfahan
Quelle: ZDF

Der Wiener Nuklearforscher Georg Steinhauser erklärt: "Selbst wenn Zentrifugen beim Angriff liefen und mit Uran bestückt waren - die Mengen wären gering, und Uran ist aufgrund seiner extrem langen Halbwertszeit fast nicht radioaktiv." Uran strahlt vor allem Alpha-Partikel ab. Diese sind für den Menschen nur gefährlich, wenn sie eingeatmet oder verschluckt werden - etwa in Form von Uranstaub.
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Auch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) der UNO erklärte, sie habe bei früheren israelischen Angriffen keine größeren Freisetzungen festgestellt. Den Experten zufolge sei das Risiko einer größeren Freisetzung relativ gering.

Lokale Gefahr, aber kein "radioaktiven Wolke"

Auch das Szenario einer "radioaktiven Wolke", die über Ländergrenzen hinwegzieht, wie in der Ukraine 1986, halten Experten für ausgeschlossen. "Das wäre maximal eine lokale Belastung mit Schwermetallen", sagt Steinhauser. Anlagen wie Fordo liegen zudem tief im Fels vergraben - ein Schutz sowohl gegen Angriffe als auch gegen das Austreten von Material in die Atmosphäre.
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Was bleibt, ist die chemische Gefahr. In Urananreicherungsanlagen wird mit hochreaktivem Uranhexafluorid (UF₆) gearbeitet. Sollte es durch eine Explosion freigesetzt werden, kann es mit Luftfeuchtigkeit zu Flusssäure reagieren - ein Risiko für Einsatzkräfte vor Ort, aber kein globales Problem.
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Sind die Angriffe das Ende des iranischen Atomprogramms?

Laut Steinhauser dürften nicht nur Anreicherungsanlagen, sondern auch Zentrifugenfabriken getroffen worden sein.

Es wäre eine Frage von Jahren oder Jahrzehnten, das iranische Atomprogramm wieder aufzubauen.

Georg Steinhauser, Professor für Radioökologie an der TU Wien

Zwar verfüge der Iran laut IAEA über rund 400 kg auf 60 Prozent angereichertes Uran - doch für eine Atomwaffe sind 90 Prozent Anreicherungsgrad nötig.
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Dazu gehört nicht nur der technische Umbau des Materials in waffenfähiges Material, sondern auch eine zuverlässige Sprengkopftechnologie. Eine improvisierte Bombe aus 60 Prozent-Material wäre "zu klobig für iranische Raketen", sagt Steinhauser - und fügt hinzu: "Noch nie hat jemand versucht, mit dieser Qualität eine Bombe zu bauen."
Auch andere Experten betonten gegenüber ZDFheute, dass Iran nicht über geeignete Trägerraketen für den Einsatz einer Atombombe verfügt.
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Haben die Bomben die Anlagen überhaupt getroffen?

Doch wie vollständig war der Schlag wirklich? Verschiedene Beobachter der Lage äußern sich bisher zurückhaltend bei der Bewertung der Angriffe und der Einschätzung der Schäden.

Militärexperte Nico Lange auf X

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Jan Busse, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München, verweist auf ein mögliches Szenario, das die Bewertung weiter kompliziert: "Es könnte sein, dass der Iran seine empfindlichsten Technologien nach dem Beginn der israelischen Angriffe bereits verlagert hat - in noch geschütztere Anlagen, die wir nicht kennen." Die Kontrolle der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) ist seit Jahren erschwert, was eine verlässliche Beurteilung schwierig mache.
Fazit: Die Angst vor einer nuklearen Katastrophe nach den Angriffen auf iranische Anlagen ist unbegründet - jedenfalls im radiologischen Sinn. Kein Fallout, keine Wolke, keine Kernschmelze. Doch das heißt nicht, dass das Risiko gebannt ist. Es ist unklar, wie viel von Irans Atomprogramm noch im Verborgenen weiterläuft.

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Quelle: Mit Material von dpa und Reuters

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