Gazastreifen: Hilfsorganisationen warnen vor "Massenhungersnot"

Organisationen warnen:Gazastreifen: Sorge vor "Massenhungersnot"

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Die Lage der Menschen in Gaza ist prekär, über 100 Organisationen warnen vor einer "Massenhungersnot". Der Streit um Hilfslieferungen behindert indes Waffenruhe-Verhandlungen.

Archiv: Eine Frau streichelt den Kopf eines Kindes, während Palästinenser am 19. Juli 2025 an einer Lebensmittelausgabestelle im Flüchtlingslager Nuseirat im zentralen Gazastreifen warten.
Seit dem Zusammenbruch einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter nach Gaza gelangt. Israel und die UN werfen sich gegenseitig vor, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern.
Quelle: AFP

Mehr als 100 Hilfsorganisationen haben angesichts der verheerenden Lage im Gazastreifen vor der Ausbreitung einer "Massenhungersnot" gewarnt. In einer am Mittwoch veröffentlichten und von mehr 111 Organisationen unterzeichneten Erklärung hieß es, dass "unsere Kollegen und die Menschen, denen wir helfen, dahinsiechen".
Zu den Unterzeichnern gehören auch Ärzte ohne Grenzen (MSF), Save the Children und Oxfam. Die Organisationen forderten sofortige Verhandlungen über eine Waffenruhe, die Öffnung aller Grenzübergänge und den ungehinderten Fluss von Hilfsgütern durch von der Vereinten Nationen kontrollierte Strukturen.
Crowds form as Palestinians, including children, line up in Gaza City
Die israelische Armee intensiviert ihre Angriffe im Zentrum des Gazastreifens - auch auf WHO-Standorte. 28 Außenminister und eine EU-Kommissarin fordern ein sofortiges Kriegsende.22.07.2025 | 1:31 min

Israels Handeln in Gaza: Druck steigt

Die UN hatten am Dienstag mitgeteilt, dass israelische Soldaten seit Beginn der Arbeit der von den USA und Israel unterstützten Hilfsorganisation GHF Ende Mai mehr als 1.000 Palästinenser getötet hätten, während diese versuchten, sich Nahrungsmittel zu verschaffen.
Auch international steigt der Druck: 28 Länder hatten gemeinsam ein Ende des Gaza-Kriegs gefordert. Die SPD ist verärgert, dass sich Deutschland nicht angeschlossen hat. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht trotzdem keinen Konflikt. Es gebe keine Meinungsverschiedenheiten in der Sache.
Merz bezeichnete die Situation im Gazastreifen erneut als "nicht länger hinnehmbar". Er wolle die israelische Regierung jetzt mit großem Nachdruck auffordern, die massiven militärischen Interventionen zu stoppen und die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung dort zu ermöglichen, betonte er.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gibt im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz.
Bundeskanzler Merz hat die Nichtbeteiligung Deutschlands am internationalen Aufruf zum Ende des Gaza-Krieges verteidigt. Es gebe bereits eine Erklärung des Europäischen Rates.23.07.2025 | 0:25 min

Streit um Hilfslieferungen behindert Waffenruhe-Bemühungen

Indes behindert der Streit über die Nahrungsmittelhilfe für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen die Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas. Die Hamas bestehe darauf, dass die UN und der Palästinensische Halbmond wieder die Verteilung humanitärer Hilfe in Gaza kontrollieren, zitierte das "Wall Street Journal" arabische Vermittler.
Die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die sich im Auftrag Israels derzeit um die Verteilung von Hilfe kümmert, müsse ausgeschlossen werden.
Der derzeit in der katarischen Hauptstadt Doha verhandelte Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe sieht dem Bericht zufolge vor, dass sich die UN-Hilfsorganisationen zwar an der Verteilung von Lebensmittelhilfen beteiligen, aber nicht die Kontrolle ausüben.
 Diana Zimmermann und Luc Walpot im chaltgespräch mit der heute
28 Außenminister und eine EU-Kommissarin haben nach weiteren Angriffen Israels Armee ein sofortiges Kriegsende in Gaza gefordert - Deutschland nicht. Luc Walpot und Diana Zimmermann berichten.22.07.2025 | 2:29 min
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff reist nach Angaben der Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, diese Woche in den Nahen Osten, um die Bemühungen für eine Waffenruhe wiederzubeleben und einen Hilfskorridor in den Gazastreifen einzurichten.

Hilfsgüter: Israel und UN erheben Vorwürfe gegeneinander

Seit dem Zusammenbruch einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter nach Gaza gelangt. Israel und die UN werfen sich gegenseitig vor, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern. Berichten von UN-Organisationen zufolge hungern mittlerweile so gut wie alle Bewohner des abgeriegelten Küstenstreifens.

Israel wirft dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) vor, es sei von der Hamas unterwandert. Die israelische Regierung hat daher alle Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk eingestellt. Stattdessen führte Israel vor einiger Zeit ein neues Verteilungssystem mit Hilfe der GHF ein, um die UN-Hilfsorganisationen und andere Initiativen zu umgehen.

Seither gibt es immer wieder Berichte über tödliche Zwischenfälle nahe der Verteilstellen der umstrittenen Stiftung. UNRWA-Leiter Phillipe Lazarrini nennt die Zentren "sadistische Todesfallen".

Quelle: dpa

Die "Times of Israel" zitierte einen ranghohen israelischen Sicherheitsbeamten, wonach das Militär keine Hungersnot in Gaza festgestellt habe. Es müssten aber Maßnahmen zur Stabilisierung der humanitären Lage ergriffen werden. Der Beamte räumte laut der Zeitung zwar ein, dass in letzter Zeit die Menge an Hilfsgütern, die die Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen erreichen, deutlich gesunken sei.

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Quelle: AFP, dpa

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