Ärzte ohne Grenzen zu Gaza-Hilfe: "Es braucht nur ein Go Israels"

Interview

Ärzte ohne Grenzen:Hilfe für Gaza: "Es braucht nur ein Go Israels"

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Man brauche hunderte Lkw pro Tag in Gaza, um ausreichend Hilfe zu leisten, so Katzer von "Ärzte ohne Grenzen" im ZDF. Es fehle nur die Entscheidung Israels, die Grenze zu öffnen.

SGS Lage in Gaza: Gefahr an den Verteilstellen
Sehen Sie hier das Interview mit Christian Katzer in voller Länge.29.07.2025 | 4:38 min
Im Gazastreifen ist die humanitäre Lage verheerend. Mehr als hundert Hilfsorganisationen warnten kürzlich vor einem "massenhaften Verhungern" aufgrund des andauernden Krieges zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas.
Bis zum Wochenende soll die Bundeswehr Hilfsgüter über Gaza abwerfen. Das UN-Welternährungsprogramm kritisiert die Aktion und fordert Landzugang. Wie viel bringt die Hilfe aus der Luft wirklich? Dazu hat Christian Katzer, Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen", Antworten.
Sehen Sie das Interview oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Katzer betont im Interview mit dem ZDF heute journal, dass ...

... jede Hilfe zählt

25 Prozent aller schwangeren und stillenden Frauen und Kinder unter fünf Jahren seien mangelernährt, erklärt Katzer. "Und in den letzten Tagen und Wochen ist die Zahl der Frauen, die schwanger sind und der Kinder unter fünf Jahren, die schwer mangelernährt sind, drastisch gestiegen."

Letztendlich ist es so, dass natürlich jede Kalorie, die in den Gazastreifen kommt, wichtig ist.

Christian Katzer, Ärzte ohne Grenzen

Im Morgengrauen des 7. Oktober dringen hunderte Kämpfer der islamistischen Terrororganisation Hamas und verbündeter islamistischer Gruppen vom Gazastreifen aus in den Süden Israels ein und verüben Gräueltaten überwiegend an Zivilisten, darunter an vielen Frauen und Kindern. Nach israelischen Angaben werden 1.210 Menschen getötet. Mehr als 251 Menschen werden als Geiseln genommen. Heute - im Sommer 2025 - sind noch etwa 50 Geiseln in der Hand der Hamas - 27 von ihnen sollen tot sein.

Die blutige Attacke ist der Auslöser für den Gaza-Krieg. Seither kämpft Israels Militär gegen die Hamas. Der Krieg hat dort verheerende Zerstörungen verursacht, nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sollen bisher etwa 56.000 Menschen getötet worden sein. Mehr als 800 israelische Soldaten kamen bei den Kämpfen ums Leben.

Die Angaben zu Toten und Verletzten beider Seiten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

(Quelle: dpa/AFP - Stand: Juli 2025)

... es an den Verteilungsstellen gefährlich ist

Aber: Über die Luft könnten im Vergleich zu Lkw am Boden nur sehr wenige Lebensmittel kommen. Die Kapazitäten in einem Flugzeug seien begrenzt. Außerdem sei es teuer und "sehr gefährlich für die Menschen auf der Erde".

Es ist einfach gefährlich zu den Verteilungsstellen zu gehen. Viele bleiben dann lieber zu Hause und haben weiter Hunger als das Risiko einzugehen an der Verteilungsstelle zu sein.

Christian Katzer, Ärzte ohne Grenzen

Und: Bei einer Verteilung aus der Luft und über die Verteilstellen müssten zudem die Menschen zu den Lebensmitteln kommen und nicht umgekehrt. Hier kämen Verletzte, Menschen mit Behinderungen oder Alleinerziehende mit Kindern gar nicht hin. Es gelte "ein bisschen das Gesetz des Stärkeren".
PALESTINIAN-ISRAEL-CONFLICT-AID
Merz hat eine Luftbrücke für Gaza angekündigt. 29.07.2025 | 3:06 min

... eine bedarfsorientierte Hilfe möglich sei

Katzer nimmt die Situation persönlich "sehr mit". Er habe mit einem Kollegen gesprochen, der "mit seiner Familie immer wieder zu Hause sitzt und überlegt, wie sie die Lebensmittel für die Kinder bekommen. Er hat gesagt, er isst jetzt nur noch alle zwei Tage, um sicherzustellen, dass für die Kinder ein bisschen was da ist."
Der Kollege sage, er werde auf alle Fälle nicht zu den Verteilungszentren gehen "und auch nicht seine großen Söhne da hin schicken, einfach weil die Gefahr dort verletzt oder getötet zu werden groß ist".
Was es braucht, sei eine bedarfsorientierte humanitäre Hilfe, "und die wäre möglich".
Antoine Renard vom UN-Welternährungsprogramm bei ZDFheute live.
In Gaza hätten die Palästinenser keine Grundnahrungsmittel. Täglich brauche es mindestens 100 Lkw mit Lebensmitteln, erklärt Antoine Renard vom UN-Welternährungsprogramm.29.07.2025 | 12:51 min

... es ein "Go" von Israel braucht

Israel müsse die Grenzübergänge für Lebensmittellieferungen am Boden öffnen, fordert Katzer. Die 60 Lkw, die aktuell in der Woche ankommen, reichten bei weitem nicht aus. Es bräuchte mehrere hundert Lkw pro Tag "um wirklich ausreichend Hilfe zu leisten".
Was jetzt nötig sei, "ist eine politische Entscheidung der israelischen Regierung die Hilfe zuzulassen". Die Lagerhäuser in Israel und Ägypten seien gefüllt, es gebe Lkw und auch Organisationen, die verteilen können.

Es ist alles da, es braucht einfach nur das "Go" der israelischen Regierung. Und da ist auch die Verantwortung der Bundesregierung.

Christian Katzer, Ärzte ohne Grenzen

Nahost- und Sicherheitsexperte Sascha Bruchmann bei ZDFheute live.
Die Kämpfer der Hamas seien für Israel nicht von Zivilisten zu unterscheiden. Sie würden keine Uniform tragen, sondern Jogginghose und Sneaker, so Nahost-Experte Sascha Bruchmann.29.07.2025 | 14:44 min
Das Interview führte Dunja Hayali, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.

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